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Meister Li 01 - Die Brücke der Vögel

Meister Li 01 - Die Brücke der Vögel

Titel: Meister Li 01 - Die Brücke der Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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Loo konnte ohne Schwierigkeiten fliehen. Doch als Li Kao und ich aus der Sänfte sprangen, landeten wir geradewegs vor den Füßen des Schlüsselhasen und seinen Soldaten. Irgendwie verhedderten wir uns in einer Kette, die dem Schlüsselhasen um den Hals hing, und er zerrte heftig und verzweifelt an seinem Ende. »O je, o je, o je!« jammerte er, und ich nehme an, er glaubte, wir wollten versuchen, den Schlüssel zum Schloßtor des Herzogs zu stehlen. Am Ende der Kette hing nur ein Schlüssel in Form einer Blüte mit sechzehn winzigen Spitzen, die genau mit dem richtigen Druck in das Schloß gedrückt werden mußten, ehe es aufsprang. Und so ein Druckschloß kostete ein Vermögen! Die Soldaten fielen über uns her. Wir wurden vor Gericht geschleppt. Doch da Leberlippe Loo den Karren und die Ziege mit sich genommen hatte, gab es keine Beweise. Geizhals Shen konnte wenig mehr tun, als schreiend Anschuldigungen vorzubringen. Aber Geizhals Shen war nicht das Problem. Das Problem bestand darin, daß wir nicht mehr in der Lage waren, die obligatorische Strafe für Ruhestörung zu bezahlen. Und die Strafe für das Nichtbezahlen einer Strafe war in des Herzogs Stadt der Tod.
    »Hu!« jammerte der Schlüsselhase, »Hu! Hu! Hu! Man denke nur, daß ich mitverantwortlich bin für die Enthauptung meines lieben Freundes und des großzügigsten Beschützers, den meine liebe Frau je hatte!«
    Schließlich beruhigte er sich soweit, daß er an dem Fall auch eine gute Seite sah.
    »Macht Euch keine Sorgen um Lotuswolke«, tröstete er mich, »ich habe entdeckt, daß Geizhals Shen der reichste Mann der Stadt ist. Ich werde ihn zum Tee einladen, und wenn meine liebe Frau nicht plötzlich ihre Gabe verloren hat, wird sie in Perlen und Jade baden.«
    »Ausgezeichnet«, erwiderte ich.
    In meinem Herzen war kein Platz für mehr Kummer. Wenn ich die Augen schloß, sah ich die Kinder von Ku-fu starr wie der Tod in den Betten liegen, den betenden Abt und die Eltern, die sich einander Mut zusprachen und sagten: »Meister Li und Nummer Zehn der Ochse werden ganz sicher mit der wunderbaren Wurzel zurückkehren, die eine Ku-Vergiftung heilen kann.«
     

15.
Das Labyrinth
     
    Ich sollte Lotuswolke noch einmal sehen, ehe wir vor dem Beil des Henkers standen. Man kettete uns an die lange Reihe der Verurteilten und führte uns durch die Straßen der Stadt. Die Menge, die Loblieder auf Lord Li von Kao und Lord Lu von Yu gesungen hatte, drängte sich noch einmal johlend und grölend um uns und bewarf uns mit Abfall. Irgendwie gelang es Lotuswolke, sich durch die Menge zu drängen. Sie glitt an den Soldaten vorbei, rannte zu mir und warf mir etwas über den Kopf, das an meinem Hals hängenblieb. Was es war, konnte ich nicht sehen, und das Gejohle des Pöbels war so laut, daß ich nur bruchstückhaft verstand, was sie mir zu sagen versuchte.
    »Als mein jämmerlicher Mann einmal betrunken war, erzählte er mir... Bu-Fi, ich habe das gestohlen, denn wenn der Herzog zum Spielen aufgelegt ist...« Die Soldaten zerrten sie davon. »Folge dem Drachen!« schrie Lotuswolke, »du mußt dem Drachen folgen!« Dann war sie verschwunden, und ich hatte keine Ahnung, was ihre Worte bedeuten mochten. Die Soldaten trieben die Menge auseinander, und man führte uns den Hügel hinauf zum Schloß Des Labyrinths.
    Ich hatte solche Angst, daß ich mich an den Weg nicht mehr erinnere. Allmählich nahm ich wahr, daß wir die große Zugbrücke überquerten, durch das gewaltige Eisentor marschierten und in einen Hof kamen, der groß genug war, um einigen tausend Soldaten Platz zu bieten. Durch Schlitze in den dicken Mauern zielten die mörderischen Eisenpfeile zahlloser Armbrüste auf uns, und hoch oben stiegen Rauch und Flammen von den Tonnen mit kochendem Öl auf.
    Das ohrenbetäubende Gebrüll rauher Stimmen, das Klirren von Waffen und das Getrampel marschierender Füße erfüllte die Luft, und dann gelangten wir in ein Gewirr langer Steintunnel, wo mir unter dem Ansturm des endlosen hallenden Echos die Ohren schmerzten. Wir. erreichten zehn Kontrollpunkte, und die Wachen verlangten geheime Zeichen und Passier-Worte. Dann öffneten sich kreischende Eisentore, und wir wurden mit Peitschenhieben hindurchgetrieben. Vor uns leuchtete ein mattes Licht, an den Wänden standen Reihen von Soldaten, und ich erkannte, daß wir uns einem Tor aus massivem Gold näherten.
    Es öffnete sich geräuschlos. Die Soldaten stießen uns über eine halbe Quadratmeile glänzenden Lapislazuli auf

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