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Meister Li und der Stein des Himmels

Meister Li und der Stein des Himmels

Titel: Meister Li und der Stein des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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hinter mir her
wie die Flaggen der Rennboote beim Drachenbootfest. Ich schoß um eine Kurve,
glitt an der glatten Wand beinahe bis zur Dek-ke hinauf und rutschte mit
atemberaubender Geschwindigkeit wieder in die flache Rinne. Trotz meiner Angst
empfand ich den Kitzel der Erregung. In der nächsten Kurve wiederholte sich das
Spiel, und die ungezügelte Erregung der Rutschpartie wurde noch dadurch
verstärkt, daß ich in die schwarze Tiefe schoß und damit rechnen mußte, daß der
Kamin in zwei handbreiten Löchern mit gezackten Felsen in der Mitte enden
würde. Inzwischen hatte ich eine unfaßbare Geschwindigkeit erreicht. Ich raste
wie ein Komet um drei weitere Kurven, dann wurde die Bahn eben, stieg leicht
an, ich schoß nach oben und flog durch die Luft, weil der Kamin unvermittelt
endete. Unter mir rauschte Wasser. Geistesgegenwärtig warf ich die Fackel weit
von mir, ehe ich klatschend in einen Fluß stürzte. Hustend tauchte ich wieder
auf und schwamm zum Ufer. Pech läßt sich nur schwer löschen, und die Fackel
brannte noch. Ich war wieder in der großen Höhle am schwarzen Fluß. Ich nahm
die Fackel, sprang ins Wasser und schwamm zum anderen Ufer. Dort lief ich auf
und ab, blickte nach oben und entdeckte schließlich das schwarze Loch, durch
das ich geflogen war. »Alles in Ordnung !« schrie ich. »Den Prinzen sehe ich nicht, aber ich werde ihn finden !«
    Ich ging langsam am Ufer
entlang und suchte nach nassen Flecken, wo der Prinz herausgeklettert oder
herausgezogen worden war. Ich wollte mir nicht vorstellen, daß er rückwärts im
Wasser gelandet oder auf einen Felsen im Wasser gestürzt sein könnte. Plötzlich
hörte ich ein Geräusch, drehte mich blitzschnell um und packte das Beil fester.
    Ich hätte es mir denken
können. Meister Li segelte durch die Luft und landete wie ein Kormoran im
Wasser. Klagende Morgendämmerung folgte ihm wie ein Schwan, und Mondkind mußte
natürlich etwas Anmutiges zum besten geben. Er
erinnerte mich an einen großen Tänzer in der Oper, als er einen Salto schlug,
die Zehen berührte und wie ein Messer das Wasser durchschnitt. Ich half ihnen,
an Land zu kommen, sammelte die Fackeln ein und zündete sie an meiner wieder
an. »Bei Buddha, was für ein Spielzeug«, sagte Meister Li, hielt den Kopf
schief und klopfte sich das Wasser aus den Ohren. »Diese Rutschbahn auf dem
Jahrmarkt würde jeden in einem Monat zum Mandarin machen .« »Zum Mandarin? Zum Kaiser !« rief Mondkind begeistert.
»Ich hoffe nur, dem Prinzen hat es ebensoviel Spaß gemacht wie mir«, sagte
Klagende Morgendämmerung ernst. Meister Li untersuchte die Felswand und
entdeckte, was er erwartet hatte. Alte Eisenhalterungen im Stein führten zu dem
schwarzen Loch hinauf. »Die Natur bringt selten etwas so Glattes hervor, und
ich glaube, man hat der Natur ein bißchen nachgeholfen. Man benutzte den Fluß,
um schwere Gegenstände hierher zu transportieren. Dann zog man sie zu dem Loch hinauf
und beförderte sie auf Schlitten mit Seilwinden durch den Fels zu den höheren
Ebenen der Grabanlage. Ganz in der Nähe müßte eine Treppe sein .« Meister Li vergewisserte sich, daß wir, wenn nötig, über
die Stufen fliehen konnten, und dann machten wir uns auf die Suche nach Prinz
Liu Pao. Wir liefen am Ufer auf und ab und wollten schon auf die andere Seite
hinüberschwimmen, als Klagende Morgendämmerung mit ihren scharfen Augen etwas
entdeckte, was uns entgangen war: eine kleine purpurrote Quaste.
    »Das Gewand des Prinzen hat
solche Quasten am Saum«, sagte sie aufgeregt.
    Wir dehnten unsere Suche
aus, und etwa sechzig oder siebzig Schritte flußaufwärts entdeckten wir die
nächste Quaste.
    »Sie haben ihn«, sagte
Meister Li tonlos. »Wäre er frei, hätte er uns wie Ochse zugerufen, sofort nach
einem Rückweg gesucht und die Treppe entdeckt. Wir müssen damit rechnen, daß
ihn unsere Freunde im Narrengewand erwischt haben, aber immerhin gelingt es
ihm, eine Spur zu hinterlassen .« Wir fanden in
regelmäßigen Abständen Quasten, die der Prinz verstohlen abgerissen hatte. Dann
fanden wir nichts mehr. Wir gingen zurück und entdeckten hinter einem
Felsvorsprung einen beinahe unsichtbaren Seitengang. Direkt in der Öffnung lag
wieder eine Quaste. Aber Meister Li befahl uns stehenzubleiben. Mit kalten
Augen musterte er den Gang. Überall standen uralte Stützpfeiler und
Verschalungen, und auf dem Boden lagen Steine, die von der Decke gefallen
waren. Es war eine tödliche Falle, und der Prinz hätte den Gang

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