Meister Li und der Stein des Himmels
Treppe hinunter ... Kühlraum... Tunnel zur Anlage...
Stein im Schrein... Einfache Form... Glatte Fläche steigt zu runder konkaver
Schalenform an... Beil gefunden... Erster Schlag trennt glatte Fläche von der
Schüssel... Zweiter Schlag trennt kleinen Splitter ab... Von Soldaten gefangen,
konnte ihn nicht zerstören... eingekerkert... Schreckliche Strafe... Gelehrte,
sucht den Stein des Bösen !... Zerstört ihn !... Das Böse, das die Menschen vernichtet, kann die Welt
vernichten. «
Meister Li legte die Pause
neben die Schriftrolle. »Ssu-ma Chien war ein mutiger Mann. Die Frage ist, ob
er sich über den geheimnisvollen Stein irrt oder nicht. Und er deutet an, daß
Tsao Hsueh Chin, der Verfasser der Roten Kammer, die Geschichte einer
Tafel aus Yus Höhle entnommen hat. Wißt ihr, was das bedeutet ?«
Wir schüttelten verneinend
die Köpfe. »Man sagt, daß der legendäre Kaiser Yu gewisse Tafeln vom Himmel
erhalten und in einer Höhle verborgen habe«, erklärte Meister Li. »Man nennt
sie die Annalen von Himmel und Erde, denn angeblich beschäftigen sie
sich mit Dingen, die für Menschen und Götter gleichermaßen von Bedeutung sind.
Hin und wieder bringt jemand eine alte Tontafel zum Vorschein und behauptet,
sie stamme aus Yus Höhle. Im allgemeinen sind die Aussagen solcher Tontafeln
für den Entdek-ker sehr lukrativ, aber ein oder zwei Tafeln enthielten
Prophezeiungen, die sich als überraschend richtig erwiesen haben .«
Er griff nach dem Bericht
über die Boden- und Pflanzenproben und schwenkte ihn in meine Richtung. Als ich
Meister Lis Gesicht dabei sah, wurde mir sehr unbehaglich. »Nummer Zehn der
Ochse, hier wird festgestellt, daß mit der Prinzentrift alles in Ordnung sei.
Mit den Mandarinen und allen Pflanzen im Süden war auch alles in Ordnung, bis
Kaiser Li Ling-chi eine auffordernde Geste machte«, knurrte Meister Li. »Wenn
man von den Ausschmückungen eines Märchens absieht, ist alles an der Geschichte
durchaus möglich. Eine ungeheure Konzentration von Ch'i würde schwächere
Lebenskräfte anziehen, wie ein Magnet die Eisenspäne, und kurze Zeit, nachdem
ein Abschnitt der Prinzentrift zerstört wurde, hattest du einen Traum. Darin
kam ein außergewöhnliches Ch'i, eine pulsierende Lebenskraft vor. Sie
ging von einer kleinen Tonkugel aus. Hat dich dein schlafendes Bewußtsein zur
Geschichte vom Kaiser und den Mandarinen geführt ?«
Mein Bewußtsein war leer
und so trüb wie eine Schlammpfütze. Selbstvergessen trank ich meinen
Pflaumensaft mit Essig.
»Ein Stein, den der Himmel
berührt hat ?« dachte Meister Li laut. »Ein Stein, den
der Lachende Prinz angebetet hat? Mit verläßlicher Sicherheit wissen wir nur,
daß irgend etwas Teile der Prinzentrift zerstört hat und daß ein merkwürdiger
Laut damit in einem gewissen Zusammenhang zu stehen scheint .«
Mondkind verschluckte sich.
Seine Augen wurden groß, erstaunt, und leise sagte er: »Ich glaube, ich kann
Euch sagen, was für ein Ton es ist .«
*
Konfuzianische Tempel haben
keine Priester und keine förmlichen Rituale, aber eine Gemeinschaft von
Glockenmachern, und das liegt an pien-chung. Das sind sechzehn
Steinglocken, die in einem Holzgestell hängen. Die Glocken haben keine Klöppel;
sie werden von Holzbalken geschlagen, die an Seilen durch die Luft schwingen.
Die meisten Leute finden den Klang langweilig und uninteressant, aber für
Glockenmacher sieht die Sache ganz anders aus. Das Holzgestell trägt die
Inschrift »Wenn die Glocke spricht, antwortet der Stein«, denn eine vollkommen
gestimmte Metallglocke wird bei einer ähnlichen Steinglocke ein
übereinstimmendes Echo hervorrufen. Das ist die genaueste Stimmvorrichtung, die
man kennt.
Ein konfuzianischer Tempel
war in der Nähe. Mondkinds Hände glitten liebevoll über die Steinglocken. Jetzt
war er in seinem Element, und er war ganz bei der Sache. »Die Alten teilten die
Musikinstrumente in Übereinstimmung mit den Trigramen von Fu Hsi in Kategorien
ein .« Ich glaubte einen Augenblick lang, wieder einen
Vortrag über die Wen-Wu-Laute zu hören. »Jedes Instrument wird von vier
Eigenschaften definiert: das Material, aus dem es gefertigt ist, die
Himmelsrichtung, in der es seine größte Kraft besitzt, die Jahreszeit, die es
anzudeuten scheint, und das verwandte Klangphänomen.«
Er begann, aus
Bambusstöcken einen Rahmen zu bauen. »Die Mundorgel ist folgendermaßen
definiert: Kürbis, Nordost, Winter - Frühling und der Klang des Donners. Die
Zither ist Seide, Süden,
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