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Meister Li und der Stein des Himmels

Meister Li und der Stein des Himmels

Titel: Meister Li und der Stein des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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einen tiefen Schluck. Das Schilf begann, sich
wieder zu bewegen. »Wer ist die hinreißende Schönheit? Und der
Jahrmarktsringer?« »Das ist mein geschätzter ehemaliger Klient und
derzeitiger Gehilfe, Nummer Zehn der Ochse«, sagte Meister Li, »und das ist
Mondkind, der Welt größter Experte für Töne und hübsche Knaben mit Pfirsichhintern .« Wir traten vor und verneigten uns vor dem Schädel. Das
Schilf schwankte.
    »Wenn ich Mondkind sehe,
wünsche ich, ich hätte noch einen Hintern. Aber weshalb bringst du junge Helden
zu einem alten Scharlatan, der auf dem Grund eines Teichs liegt ?« Meister Li nahm einen Schluck. »Erstens möchte ich, daß
Mondkind in einen Spiegel blickt«, sagte er beiläufig. Bildete ich es mir nur
ein, oder bewegte sich das Schilf tatsächlich zögernd? »An welchen Spiegel
denkst du ?« »An den einzigen, der zählt«,
erwiderte Meister Li. »Vorsicht, Li Kao .«
    »Auch andere haben die
Reise gemacht«, sagte Meister Li. »Wie ich höre, ist selbst der Kaiser zu dir
gekommen, um sich einen Passierschein zu holen, und er ist immer noch heil und
ganz .«
    Das Schilf geriet in
heftige Erregung. »Tang bedurfte sowohl göttlichen Eingreifens als auch
einer riesigen Bestechungssumme, um wieder herauszukommen. Kannst du mit dieser
Art Hilfe rechnen? Das Tor kann ich öffnen, aber wenn du hindurchgehst, bist du
auf dich allein angewiesen. Haben die beiden der Reise zugestimmt ?«
    Meister Li sah uns an. Ich
verneigte mich vor dem Schädel. »Ehrwürdiger Herr, wo Meister Li hingeht, da
gehe ich auch hin«, sagte ich.
    »Edelster aller Weisen, das
Leben eines Mädchens namens Klagende Morgendämmerung steht auf dem Spiel, und
ich gehe, wohin ich gehen muß«, sagte Mondkind. Das Schilf regte sich lange
nicht, und dann nur zögernd. »So sei es. Li Kao, grüße Königin Feiyen, wenn
du sie siehst - o Götter, ihr Atem war süß wie eine Orchidee! Und danke Li Po
dafür, daß er mir seine falschen Würfel hinterlassen hat .« Das Wasser im Teich begann zu kreisen. Es drehte sich schneller und
schneller in konzentrischen Kreisen auf die Mitte zu, und meine Augen wurden
von dem Schädel angezogen. Ein seltsames Licht leuchtete in den leeren
Augenhöhlen und lockte mich. Der Schädel schien größer und größer zu werden;
weiße Knochen füllten den Himmel, und das Licht zog mich vorwärts. Plötzlich
schritt ich durch eine riesige Augenhöhle. Meister Li und Mondkind gingen durch
die andere, und wir standen auf einem Felsvorsprung auf einem hohen Berg. Ein
kalter Wind pfiff mir um die Ohren, und in der Ferne schrie ein Adler.
»Wundervolle Effekte«, sagte Meister Li. Vor uns im Felsen befand sich eine
Bronzetür. Meister Li stieß sie auf, wir gingen hindurch, standen auf einem
Treppenabsatz und betraten die erste Stufe einer langen gewundenen Treppe, die
uns hinunter in die Hölle führen würde.
    17.
    Barbarische Leser, und
seien sie noch so gebildet, haben nie mehr als eine höchst unvollständige
Vorstellung von der Hölle. Das ist nicht ihre Schuld, sondern die Schuld
unwissender Priester und Gelehrter, die an zwei unglaublichen Irrtümern
festhalten und behaupten, die Hölle sei den Verdammten vorbehalten, und die
Erde sei flach.
    Die Erde ist ein Würfel mit
einer Seitenlänge von 233575 Schritten. Das Reich der Hölle nimmt die Mitte des
Würfels ein, und in der Hölle werden alle Sterblichen gerichtet, Heilige
und Sünder gleichermaßen. Das erklärt auch, weshalb die Menschen auf der
falschen Seite des Würfels nicht herunterfallen. Wir werden alle zu unserem
endgültigen Ziel hingezogen. Wo man auch steht, die Hölle ist immer »unten«,
der Himmel immer »oben«, und mehr ist dazu nicht zu sagen. Das Reich der Hölle
ist riesig. Es umfaßt einhundertfünfund-dreißig Höllen zweiter Ordnung und zehn
erster Ordnung: eine für den Richtspruch des Gottes der Mauern und Gräben, eine
für das Große Rad der Wandlungen und acht für die Bestrafung der Sünder. In den
Höllen zweiter Ordnung warten die Menschen darauf, gerichtet zu werden, oder
darauf, daß man sie in das Land der Höchsten Glückseligkeit im Westen bringt,
wo sie zu Füßen Buddhas sitzen werden. Unendlich gesegnete Menschen warten
darauf, daß man sie zum Berg K'un-lun bringt, wo sie zu Füßen des Erhabenen
Jadekaisers sitzen werden. In diesen Höllen zweiter Ordnung befinden sich noch
so viele andere Seelen, daß ich gar nicht versuchen will, sie aufzuzählen.
    Sterblichen ist es unter
keinen Umständen erlaubt,

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