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Meister Li und der Stein des Himmels

Meister Li und der Stein des Himmels

Titel: Meister Li und der Stein des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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Priester
erschien mit drei Bechern Wein und drei kleinen Schalen. Mit einer Geste
bedeutete er uns, wir sollten essen und trinken. Meister Li aß den Inhalt
seiner Schale mit Kennermiene. »Ich weiß nicht, was sie in den Wein mischen,
aber das hier sind Teufelsohren, die stärksten halluzinoge-nen Pilze«, sagte er
beiläufig. Dann drehte er sich um und deutete auf die Tafel.
    »Chuang Tzu bereitete sich
einmal eine Mahlzeit aus Teufelsohren. Danach hatte er eine Vision, die alle
verwirrenden Probleme der Menschheit erklärte, und er schrieb sie nieder. Als
er wieder zu sich kam, griff er sofort nach dem Blatt Papier, und dort stand
folgendes: Der Schafhirte paart sich mit Bambus, der seit langem nicht mehr
ausgetrieben hat, und zeugt grüne Friedenspflanzen. Grüne Friedenspflanzen
zeugen Leoparden, Leoparden zeugen Pferde, und Pferde zeugen Menschen. Menschen
werden irgendwann wieder Schafhirten. Faßt das Ganze hübsch zusammen,
findet ihr nicht ?«
    Ich würgte an meinem Pilz.
Mondkind schaffte es, seinen zu essen, und schließlich gelang es mir auch. Dann
legte ich eine Hand auf meinen Kopf, die andere auf meine Zehen und wartete
darauf, daß meine Hände sich entweder weiter voneinander entfernten oder sich
einander näherten. Nichts geschah, und ich atmete etwas leichter. Der Priester
kam zurück und bedeutete uns stumm, ihm zu folgen. Wir traten durch eine Tür in
einen Garten. Ungläubig betrachtete ich die Schatten.
    Der Stand der Sonne verriet
mir, daß es bereits die Doppelstunde des Pferdes war. Wir hatten den Tempel am
frühen Morgen betreten. Irgendwie waren mindestens vier Stunden vergangen. Was
war geschehen? Meister Li wirkte nicht beunruhigt. Er marschierte mit einem
glücklichen Lächeln auf einen kleinen runden Teich in der Mitte des Gartens zu.
Beim Näherkommen entdeckte ich auf dem Grund etwas Weißes und sah, daß uns ein
menschlicher Schädel entgegengrinste.
    »Ling, mein lieber alter
Freund. Du siehst heute wirklich großartig aus«, sagte Meister Li.
    Mondkind und ich fielen
beinahe ins Wasser. Kein Windhauch regte sich, und trotzdem begannen sich ein
paar Schilfrohre auf der anderen Seite des Teichs zu bewegen: Sie schwankten
und neigten sich, zuckten und ruckten - es war Kalligraphie; die Schilfrohre schrieben
in die Luft. »Li Kao, du bist geboren, um gehangen zu werden !« »Du meinst gehängt«, verbesserte Meister Li ihn
liebenswürdig.
    »Ich meine den Galgen .«
    Das Schilf bewegte sich so
schnell, daß ich kaum folgen konnte, aber ich begriff, daß der tote Liu Ling
sagte, Meister Lis Charakterfehler könne nicht nur mit seiner schlechten
Abstammung erklärt werden. Meister Li müsse in einer früheren Inkarnation eine Hyäne,
ein Skorpion oder sogar der Östliche Idiotenherrscher des Südlichen Tsi gewesen
sein. Das Schilf geriet in große Erregung, als es das Leben jenes Herrn
schilderte.
    »... und schlug ihnen
Hände und Füße ab !« »Nein, ich kann nicht der Östliche
Idiotenherrscher des Südlichen Tsi gewesen sein«, erklärte Meister Li
nachdenklich. »Ich hätte ihnen auch die Nasen abgeschlagen .« »... bis auf den Grund niedergebrannt!«
    »Wenn man etwas tun muß,
sollte man es gründlich tun«, sagte Meister Li.
    »... Frauen, Kinder und
bis auf den letzten Mann!« »Verschwendung. Es müssen hübsche Mädchen darunter
gewesen sein. Ling, alter Freund, ich möchte nicht überkritisch sein, aber war
es klug, sich nur mit Wasser zu umgeben ?« fragte
Meister Li. Er zog den Weinschlauch hervor und goß Wein in das Wasser. Mondkind
und ich klammerten uns hilfesuchend aneinander. Der dunkle Wein wurde in einen
kreisenden Strudel gezogen, der bis in den grinsenden Mund des Schädels
wirbelte. Das Schilf bewegte sich nicht mehr. Dann schwankte ein Rohr.
    »Rülps .«
    »Das Zeug hat es zu deiner
Zeit noch nicht gegeben«, sagte Meister Li. »Man nennt es Haininger Bergtau.
Wie findest du
    es?«
    Das Schilf geriet wieder in
Bewegung. »Haining? Die Trottel machen diesen ausgezeichneten Wein? Ich
nehme an, selbst Mistkäfer haben ihre Talente. Da wir gerade von Mistkäfern
reden. Hat sich Wampe endlich zu Tode getrunken ?«
    »Er gibt sich immer noch
große Mühe«, erwiderte Meister Li. »Ich versichere seinen Vermietern immer
wieder, daß seine Leber aus einer Art kristallisiertem Kohlenstoff besteht,
aber sie setzen ihn ständig auf die Straße, weil sie Angst haben, er könnte
plötzlich explodieren .« Meister Li goß noch etwas Wein
in den Teich und nahm selbst

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