Meister Li und der Stein des Himmels
Augenblick wieder zu
Kräften kommen und eine Zugabe wollen .« »Mondkind,
einen Orden für dich zu entwerfen, wird eine der großen Herausforderungen des
Jahrtausends sein«, sagte Meister Li. »Wir werden die Dienste des wollüstigen
Deng in Anspruch nehmen müssen, und selbst Deng wird es schwerfallen, dir
gerecht zu werden, ohne uns alle ins Gefängnis zu bringen .«
Das Schloß schnappte auf,
und wir eilten durch den Garten zum siebten und letzten Tor. Glücklicherweise
gelang es Meister Li, das Schloß schnell zu öffnen. Wir schlüpften gerade durch
das Tor, als wir schwere knirschende Schritte hinter uns hörten, und als wir
die Palastmauern erreichten, flötete eine rauhe, laute Stimme sehnsüchtig:
»Halloooo...!« Ich fand ein geeignetes Fenster, und im nächsten Augenblick
waren wir im Palast.
Am Ende eines Gangs war ein
großer Saal mit endlosen Reihen von Schreibern, die Eintragungen in riesige
Bücher machten. Über dem Eingang stand: Tribunal der Neunten Ebene der
Dunkelheit. Wir richteten unsere Kleider und klopften ein paar graue
Blätter und den Staub ab. Ich hob stolz den Standesschirm, und Meister Li
schritt in den Vorraum. Beamte verschwanden hastig durch eine Tür, andere kamen
heraus, und ich sah sogar flüchtig einen Yamakönig: eine dunkle gekrönte
Gestalt auf einem Thron inmitten von Schreibern und Höflingen. In allen großen
Bürokratien sind die Beamten viel zu beschäftigt und fühlen sich viel zu
wichtig, um den Kopf zu heben, und so ging Meister Li einfach an den vielen
Türen vorbei, bis er zu einer mit der Aufschrift kam: Schatzmeister der
Neunten Ebene der Dunkelheit. Er öffnete die Tür, und wir traten ein. Wir
beachteten die vielen geschäftigen Beamten nicht, sondern marschierten
geradewegs auf einen großen Tisch zu, hinter dem ein Wesen saß, das an einen
Hai erinnerte und das wie verrückt an zwei klickenden Rechengestellen
gleichzeitig arbeitete. Die neun Knöpfe an seiner Mütze wiesen darauf hin, daß
wir den Schatzmeister persönlich vor uns hatten. Kalte Haifischaugen richteten
sich auf Meister Lis Embleme und den Standesschirm. »Es ist keine Inspektion
angesetzt«, erklärte er knapp. »Natürlich nicht«, erwiderte Meister Li ebenso
kalt. »Eine Razzia in einer illegalen Spielhölle hängt man schließlich auch
nicht an die große Glocke .«
Der Schatzmeister sprang
auf. »Ihr wagt es, dieses Amt mit einer Spielhölle zu vergleichen ?« fragte er wütend. Meister Li zuckte die Achseln. »In
solchen Etablissements geschehen die merkwürdigsten Dinge, und dem Himmelssohn
ist zu Ohren gekommen, daß in diesem Amt sehr merkwürdige Dinge geschehen sind .« »Werdet deutlicher, mein Herr !«
»Der Kaiser«, begann
Meister Li, »hat erfahren, daß die Summe, mit der er seine Freilassung aus der
Hölle erkauft hat, unerklärlicherweise erhöht worden ist, und das macht es
praktisch unmöglich, jemanden zu retten, der zu Unrecht gefangengehalten wird.«
»Eine Lüge! Eine bösartige
und haltlose Verleumdung !« schrie der Schatzmeister.
»Kaiser T'ang erkaufte sich seine Rückkehr mit dreizehn Truhen Silber und Gold,
und dreizehn Truhen sind nach wie vor der Preis !« »Das
hoffe ich doch sehr. Wir sind hier, um sicherzustellen, daß das System gerecht
ist und reibungslos funktioniert, und das ist nur auf eine Weise möglich«,
sagte Meister Li. »Ihr werdet Euch erinnern, daß der Himmelssohn kein Geld bei
sich hatte, aber vom Guthabenkonto des heiligen Hsiang Ling einen Kredit über
die entsprechende Summe in Anspruch nehmen konnte .«
Der Schatzmeister setzte
sich. Auf seinem Gesicht lag ein Lächeln, und in seinen Augen leuchtete die
Bosheit. »Der Kaiser konnte das tatsächlich, aber nur mit Genehmigung von
Minister Ts'ui«, sagte er leise. »Zufällig bekleide ich augenblicklich sein
Amt, und ich frage Euch, habt Ihr meine Genehmigung, das Konto von Hsiang Liang
zu belasten ?«
Meister Li rümpfte die
Nase. »Wer sagt, daß wir dasselbe Konto benutzen wollen? Wir sind zu dritt und
werden infolgedessen die dreifache Summe benötigen. Ich bezweifle, daß selbst
Hsiang Liang durch seine guten Taten soviel angesammelt hat .«
»Im Verlauf der Geschichte
hatten weniger als zwanzig Sterbliche neununddreißig Truhen Silber und Gold auf
ihrem Konto«, erklärte der Schatzmeister mit einem boshaften Lachen. »Ich hoffe
um Euretwillen, daß Ihr in der Lage seid, einen Kredit von T'su T'sin, dem
Priester aus dem Tempel der Leprakranken, zu bekommen .«
»So hoch wollen
Weitere Kostenlose Bücher