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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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und während sie redete, glitt sie vom Sofa, kroch zu des Meisters Knien, streichelte sanft über seinen Kopf und sah ihm dabei tief in die Augen.
    – Mein Ärmster, mein Ärmster! Was musstest du leiden! Nur ich allein weiß es. Da schau, du hast graue Fäden im Haar und eine ewige Falte um den Mund! Mein Liebster, mein Einziger, mach dir keine Gedanken! Du musstest dir zu viele Gedanken machen! Von jetzt an werde ich für dich denken. Und ich garantiere dir, ich garantiere dir: Alles, alles wird blendend gut sein!
    – Weißt du, ich fürchte mich vor nichts, Margot –, reagierte plötzlich der Meister, hob seinen Kopf und wurde auf einmal genau derselbe wie er damals war: ein Dichter, der schreibt, was er nie gesehen und wovon er trotzdem weiß, dass es ist. – Vor nichts, denn ich habe schon alles durchlitten. Man hat mir viel zu oft Angst eingejagt und womit soll man es jetzt noch versuchen? Du aber tust mir leid, Margot – das ist die Crux, das ist die Ursache, warum ich mit der alten Leier anfange: Wach auf! Wozu dein Leben zerstören? Mit einem bettelarmen und kranken Mann! Komm wieder zu dir! Du tust mir leid, und nur deshalb sage ich dir das alles.
    – Ach du, du –, hauchte Margarita und schüttelte ihre zerzauste Mähne, – du kleinmütiger, unglücklicher Mensch. Ich habe gestern die ganze Nacht über als Nackte gezittert. Ich habe mein Wesen aufgegeben und es durch ein neues ersetzt. Ich habe mehrere Monate lang in einer dunklen Kammer gesessen und dachte dabei nur an eins: an den Sturm über Jerschalajim. Ich habe mir die Augen aus dem Kopf geheult. Und nun, da wir endlich vom Glück heimgesucht sind, schickst du mich fort?Also gut, ich gehe. Aber wisse: Du bist ein grausamer Kerl! Sie haben deine Seele ausgehöhlt!
    Zum Herzen des Meisters stieg bittere Zärtlichkeit, und ohne Grund weinte er los, sein Gesicht in Margaritas Haar vergraben. Während sie ihre Finger auf seinen Schläfen hüpfen ließ und dabei raunte:
    – Ja, Fäden, Fäden … Vor mir bedeckt sich dein Kopf mit Schnee … Ach, mein armer, gequälter Kopf! Da schau – deine Augen! Darin ist Wüste … Und die Schultern, die Schultern – schwer drückende Last … Zerschunden, zerschunden … – Schon wurden Margaritas Worte wirr, und sie selbst erbebte vor Schluchzern.
    Da wischte sich der Meister die Augen, ließ Margarita vom Boden aufstehen, erhob sich auch selbst und sprach mit fester Stimme:
    – Das reicht! Ich fühle mich beschämt und will mir nie wieder Kleinmut gestatten oder zu diesem Punkt zurückkehren. Sei also ganz unbesorgt. Wir zwei Opfer einer psychischen Krankheit. Vielleicht hast du dich ja bei mir angesteckt … Nun, dann werden wir es gemeinsam durchstehen.
    Margarita führte ihre Lippen an des Meisters Ohr und flüsterte:
    – Ich schwöre bei deinem Leben, ich schwöre bei dem Sohn des Sterndeuters, den du erraten hast: Alles wird gut sein.
    – Bestens, bestens –, sagte der Meister und fügte lachend hinzu: – Es ist doch klar: Wenn die Menschen so vollständig beraubt worden sind wie wir, suchen sie ihr Heil bei Jenseitsmächten! Von mir aus! Dann suchen wir es halt dort!
    – Na bitte, na bitte, jetzt bist du der Alte. Du lachst wieder –, antwortete Margarita. – Zur Hölle mit deinen gelehrten Ausdrücken. Jenseitsmächte hin, Jenseitsmächte her – ist doch völlig wurscht! Ich brauch’ was zu essen.
    Und sie zog den Meister bei der Hand an den Tisch.
    – Ich bin mir unsicher, ob dieses Essen nicht gleich vom Erdboden verschluckt wird oder durchs Fenster hinausfliegt –, sagte er, vollkommen beruhigt.
    – Es wird nicht hinausfliegen!
    Und in just diesem Augenblick erklang im Fenster eine näselnde Stimme:
    – Friede sei mit euch!
    Der Meister erbebte, während Margarita – an das Außergewöhnliche inzwischen gewöhnt – aufschrie:
    – Aber das ist doch Azazello! Ach, ist das nett! Ach, ist das schön! –, und raunte noch, bevor sie zur Tür lief:
    – Siehst du? Sie lassen uns nicht allein!
    – Zieh dir doch wenigstens etwas über –, rief ihr der Meister hinterher.
    – Ach komm, scheiß drauf! –, sagte Margarita, bereits im kleinen Flur angelangt.
    Azazello verneigte sich vor dem Meister, begrüßte ihn, glänzte mit dem schielenden Auge, Margarita aber rief:
    – Mensch, Azazello, bin ich froh! Noch nie in meinem Leben war ich so froh! Nur verzeihen Sie, dass ich nackt bin!
    Azazello bat, sich keine Sorgen zu machen. Er versicherte, nicht nur nackte, sondern sogar komplett

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