Meister und Margarita
gehäutete Frauen gesehen zu haben, und setzte sich gerne mit an den Tisch (nachdem er am Ofen in der Ecke etwas abgestellt hatte – irgendein Bündel von dunklem Brokat).
Margarita schenkte Azazello Cognac ein, und er leerte das Glas mit Hochgenuss. Der Meister starrte ihn unverwandt an und kniff sich heimlich in den linken Arm. Doch was änderte das? Es war kein Luftbild und verpuffte nicht. Aber wozu auch? Der Kleine, Rothaarige – eigentlich harmlos. Bis auf das eine Auge mit Star. – Nun, das gibt es auch ohne Zauber. Höchstens die Kleidung – nicht ganz gewöhnlich. Irgendein Priestergewand oder Umhang. Und trotzdem – bei näherer Betrachtung – kommt auch das in den besten Familien vor. Den Cognac trank er ja wie ein Weltmeister, so wie alle guten Menschen:in Gläsern und ohne nachzuessen. Vom Cognac brummte dem Meister der Kopf, und er dachte:
»Nein, Margarita hat recht! Natürlich ist das ein Gesandter des Teufels. Ich habe doch selbst – erst vorgestern Nacht – Iwan auseinandergesetzt: Er ist am Patriarchenteich keinem anderen als Satan begegnet. Und jetzt soll mir derselbe Gedanke plötzlich Angst machen? Wieso eigentlich? Und was fasele ich dann von Halluzinationen und Hypnose? Zum Teufel, was denn für eine Hypnose?«
Er sah sich Azazello genauer an: In diesen Augen lag etwas Erzwungenes, lag ein bisher verschwiegener Gedanke. »Er ist nicht bloß zum Vergnügen hier. Er kommt zu uns mit einem Auftrag«, glaubte der Meister.
Seine Beobachtungsgabe täuschte ihn nicht.
Nach dem dritten Glas Cognac, das ihm gar nichts antat, sagte der Besucher Folgendes:
– Gemütliche Bleibe, zum Teufel noch mal! Fragt sich nur: Was will man hier? Ich meine, in dieser gemütlichen Bleibe.
– Genau davon rede ich die ganze Zeit –, lachte der Meister.
– Warum wollen Sie mich traurig machen, Azazello? –, fragte Margarita. – Wir kommen schon zurecht!
– Ojemine! –, rief Azazello. – Ich habe nicht im Traum daran gedacht, Sie traurig zu machen. Ich sag ja selbst, Sie kommen schon zurecht. Ach ja! Beinahe hätte ich es vergessen … Messire lässt Sie beide grüßen und Ihnen ausrichten, er würde Sie gern zu einem kleinen Spaziergang einladen. Aber natürlich nur, wenn Sie mögen. Nun, was sagen Sie?
Margarita gab dem Meister unter dem Tisch einen leichten Fußtritt.
– Mit dem größten Vergnügen –, erwiderte der Meister und beobachtete Azazello, der weitersprach:
– Wir hoffen, auch Margarita Nikolajewna sagt da nicht »nein«?
– Ich bin die Letzte, die bei so was »nein« sagt –, antwortete Margarita und versetzte dem Meister wieder einen Fußtritt.
– Ist doch fabelhaft! –, jubelte Azazello. – Das haben wir gern: Zack-zack – und fertig! Nicht wie kürzlich, im Alexandergarten.
– Ach, hören Sie auf davon, Azazello! Ich war blöd. Aber andererseits darf man es mir fast nicht verübeln: Schließlich begegnet man nicht jeden Tag bösen Mächten, oder?
– Absolut richtig –, nickte Azazello, – jeden Tag, das wäre zu schön!
– Ich hab es auch selbst am liebsten zack-zack –, sagte Margarita aufgeregt. – Wenn ich zackig bin … Wenn ich nackig bin … Wie aus einer Mauser geschossen – peng, peng! Also der hier kann vielleicht schießen! –, rief sie dem Meister zu. – Eine Piksieben unter dem Kissen! In jede Schippe! – Margarita wurde langsam beduselt, weshalb ihre Pupillen erglühten.
– Ach, schon wieder beinahe vergessen! –, schlug Azazello sich gegen die Stirn. – Bin ja ganz durch den Wind! Ein Geschenk für Sie! Ein Geschenk von Messire –, hierbei wandte er sich speziell an den Meister, – eine Flasche Wein. Bitte zu beachten: Es handelt sich um eben jenen Wein, welchen der Statthalter von Judäa getrunken hat – um Vinum Falernum.
Verständlicherweise sorgte eine solche Kostbarkeit sowohl bei dem Meister als auch bei Margarita für gesteigertes Interesse. Azazello entnahm dem Fetzen schwarzen Totenbrokats einen über und über verschimmelten Krug. Man beroch den Wein, goss ihn in Gläser, schaute durch ihn aus dem Fenster hinaus – auf das vor dem Sturm dämmernde Licht – und sah, wie sich alles blutrot färbte.
– Hoch lebe Woland! –, rief Margarita und hob ihr Glas.
Alle drei berührten den Wein mit den Lippen und taten jeweils einen kräftigen Schluck. Und das vor dem Sturm dämmernde Licht verfinsterte sich in den Augen des Meisters. Der Atem stockte. Das Ende war nah. Er konnte noch sehen: Margarita, hilflos und
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