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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Meisters Haus scharren nicht mit ihren Hufen, sondern lassen die Erde unter sich »in Fontänen bersten« ( vzryvali fontanami zemlju ). Die Rede ist vom »klinischen Garten« ( kliničeskij sad ) und nicht – korrekt – vom »Garten der Klinik«. Und die Krankenschwester Praskowja Fjodorowna steht im Raum nicht von Blitzen erhellt, sondern – beinahe göttergleich – »in strahlende Blitze gewandet« (vsja odevšis’ svetom molnii).
    Stets weicht Bulgakow in seinen Ausdrücken von der Normalität ab, wählt im Russischen ungewöhnliche Formulierungen. Mit all diesen Mitteln erhöht er gleichsam die Temperatur der Sprache, durchbricht, wo er kann, die literarischen Schablonen des 19. Jahrhunderts und bewegt sich im Idiom der russischen Moderne, die an der Avantgarde geschult ist.

    Der Geist der Moderne
    Ja, »Meister und Margarita« ist ein Schlüsseltext der Moderne und nicht etwa ein realistischer Roman mit gelegentlichen phantastischen und psychologischen Einschüben. Dass die Wurzeln des Werks genau hier liegen, zeigt sich auch in der Entstehungsgeschichte: Der uns heute bekannten Version gehen insgesamt acht Fassungen und somit Arbeitsschichten voraus, die sich vom Endresultat zum Teil gewaltig unterscheiden. Den Anfang bilden die 1928–29 geschriebenen Fragmente »Der Schwarze Magier« (Č ernyj mag ) und »Der Huf des Ingenieurs« ( Kopyto inžinera ) – zwei durch und durch groteske Possen mit einer schier expressionistischen Bilderflut. Darin nennt sich die Jeschua-Pilatus-Geschichte noch »Evangelium nach Woland«, und der Autor spielt mit respektlos flottem Erzählton und frechen Anachronismen:
    Die g-guten Zeugen, Hegemon, waren nicht auf der Universität. Sie sind ungebildet und brachten alles, was ich gesagt habe, fürchterlich durcheinander. Fürchterlich, wirklich. Ich denke, es müssen erst neunzehnhundert Jahre vergehen, bevor herauskommt, welch ein Stuss das ist, was sie von meinen Worten zu Papier brachten! […] Da läuft einer umher mit einem Notizbüchlein und schreibt –, sagte Jeschua. – So ein sympathischer … Vermerkt jedes Wort von mir in dem Büchlein […]
    – Dann sag mir doch: Wer ist denn noch sympathisch? Ist Marcus sympathisch?
    – Sehr sogar –, sagte der Häftling mit Überzeugung. – Nur etwas nervös […]
    – Ich höre? –, fragte Pilatus.
    – Die Gattin Seiner Exzellenz Claudia Procula bittet, Seiner Exzellenz dem Gatten auszurichten, sie habe die ganze Nacht nicht geschlafen und dreimal im Schlaf das Gesicht des lockigen Häftlings gesehen – und zwar dieses hier –, sagte der Adjutant Pilatus ins Ohr, – und bittet den Gatten, den Häftling unbeschadet gehen zu lassen.
    – Richten Sie Ihrer Exzellenz der Gattin Claudia Procula aus –, antwortete der Statthalter laut, – sie sei eine dumme Gans. […] Tut mir leid, dass ich mich in Ihrer Gegenwart so über eine Dame äußere.
     
    In der Verfolgungsszene heißt es da:
    Die Tram rollte über die Bronnaja. Auf der hinteren Plattform stand Pilatus, im Umhang, mit Sandalen, in der Hand eine Aktentasche.
    » Echt sympathisch, dieser Pilatus«, dachte Iwan […]
    Iwan schob das Mützchen nach hinten, ließ das Hemd aus der Hose heraus, stampfte mit den Schuhn auf, rührte den Blasebalg der Ziehharmonika, die siebenhundert Rubel teure Ziehharmonika seufzte und erdröhnte:
    Kommt Pilatus gefahrn
    zu den Volkskommissarn.
    Ty-gar-ga, maty-garga!
    – Trr! –, antwortete eine Trillerpfeife. Eine strenge Stimme meldete sich:
    – Genosse! Es ist untersagt, unter den Palmen zu singen. Die sind nicht dazu gepflanzt worden.
    – In der Tat. Als hätt’ ich noch nie Palmen gesehen –, sprach Iwan, – zum kahlen Teufel mit denen. Ich werde mich auf die Stufen der Basilius-Kathedrale setzen …
    Und wirklich saß Iwan auf den Stufen der Kathedrale. Iwan saß, klirrte mit den Bußketten, und aus der Kathedrale trat hervor ein fürchterlicher sündiger Mann: zur Hälfte Zar, zur Hälfte Mönch. In der zitternden Hand hielt er einen Stab und riss mit dessen stumpfem Ende die Steinfliesen auf. Die Glocken läuteten. Es taute.
     
    Diese collageartige Travestie wäre vermutlich niemals zu jenem Jahrhundertepos geworden, das wir heute kennen, sondern – als reines Experiment – irgendwo im Kuriositätenkabinett der russischen Literatur versandet. Aber mit der Zeit hörte Bulgakow aus dem von ihm behandelten Stoff Motive heraus, die mehr versprachen und tiefer strebten, weshalb er (insbesondere in den Pilatus-Kapiteln)

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