Meister und Margarita
bedrängt wird. Zum Beispiel bezüglich der Unterhose, die sich aber auch so verbissen wehrte, eine Knickerbocker zu sein.
Die Dialoge
Zu den besonderen Höhepunkten des Romans zählen zweifellos die Dialoge. Hier präsentiert sich der Autor in seiner Eigenschaft als gewiefter und kunstreicher Dramatiker. Jeder Satz ist gestisch und motiviert. Um die Markigkeit der Repliken beizubehalten, wurden die Dialoge bei der Übersetzung separat behandelt, das heißt – als zwischengeschobener Arbeitsschritt – unter Auslassung der Prosapassagen in Theaterrollen ausgeschrieben und so lange geschliffen, bis sie in sich stimmige Szenen ergaben:
Woland: Und den Teufel, den gibt es auch nicht?
Besdomny: Den Teufel? …
Berlioz (zu Besdomny) : Bloß nicht widersprechen!
Besdomny: Worauf Sie Gift nehmen können! Was ’ne Plage! Hören Sie endlich auf verrückt zu spielen!
Woland: Das wird ja immer besser mit Ihnen! Wonach man auch fragt, es ist gar nicht da! Es gibt ihn also nicht, kein bisschen, wie?
Anschließend wurden die Sätze dann wieder in den Gesamttext eingefügt:
– Und den Teufel, den gibt es auch nicht? –, erkundigte sich, plötzlich belustigt, der Kranke bei Iwan Nikolajewitsch.
– Den Teufel? …
– Bloß nicht widersprechen! –, hauchte Berlioz, über den Rücken des Professors gekippt und Grimassen schneidend.
– Worauf Sie Gift nehmen können! –, rief Iwan Nikolajewitsch genau das Falsche, ganz durcheinander von all dem Mumpitz. – Was ’ne Plage! Hören Sie endlich auf verrückt zu spielen!
Da prustete der Wahnsinnige derart los, dass sogar aus der Linde, die über den Köpfen der Sitzenden wuchs, ein Spatz geflattert kam.
– Das wird ja immer besser mit Ihnen –, feixte der Professor, von Lachkrämpfen geschüttelt. – Wonach man auch fragt, es ist gar nicht da! – Er hörte schlagartig auf zu lachen und verfiel (was bei Geistesgestörten nicht unüblich ist) in das gegenteilige Extrem, indem er gereizt und verärgert quäkte: – Es gibt ihn also nicht, kein bisschen, wie?
Die Stilregister der Personen
Das dramaturgische Können Bulgakows geht so weit, dass er jede einzelne Gestalt mit einem vollkommen eigenen sprachlichen Duktus ausstattet. So ist Pilatus düster und lakonisch, vor allem wenn ihn der Kopfschmerz plagt. Jeschua klingt leicht exaltiert und naiv. Wolands Stil ist gewählt und aristokratisch. Besdomny spricht aufgesetzt salopp. Azazello mit der Noblesse eines Syndikatsganoven. Ein ganz besonderes Kuriosum ist dabei Korowjew: Er erscheint als ein sprachlicher Wechselbalg, der innerhalb kürzester Zeit von einem Extrem ins andere verfällt – mal überschwänglich geziert, mal flegelhaft, mal Unsinn schwatzend. Immer ist er der Mann aus dem Volk, der liebe Onkel vonNebenan, die Nervensäge, die Plaudertasche. Stets benutzt er skurrile und überdrehte Wortkombinationen, schneidet andauernd verbale Grimassen. Sein Register reicht vom Moskauer Hinterhofdialekt, gespickt mit allerlei albernen Sprüchen und Binsenweisheiten, bis hin zur respektvoll ritterlichen Rede seinem Gebieter gegenüber.
Diese Skala galt es unbedingt zu wahren, und so wurde im Deutschen der Versuch unternommen, das jeweils Charakteristische nachzubilden. (Bei Korowjew kam in der Übersetzung eine leichte Prise Wienerisch hinzu, das je nach Bedarf galant, urig oder derb wirken kann.)
Es fällt auf, dass Azazello im russischen Text eine spezielle Behandlung erfährt: Er tritt fast nie als Person in Erscheinung, sondern meistens nur als eine Ansammlung wiedererkennbarer Eigenschaften. Dahinter aber bleibt er leer, immer nur »jemand«, »irgendwer«, »einer« und wirkt somit – trotz seiner Robustheit – stets ungreifbar und ephemer. Ähnlich, aber sehr viel bedrohlicher, verhält es sich mit den staatlichen Sicherheitsbehörden: Während sie in früheren Fassungen noch beim Namen genannt werden (wie etwa » GPU «), sind sie in der letzten Version nur noch ein anonymes »man«. Und diese allmähliche Auslöschung ihrer Identität folgt dem reifenden Konzept des Romans, bei dem die politische Macht aus einer konkreten Instanz langsam zu einer diffusen und namenlosen mutiert.
Die Charakterisierung über das Sprechen
Interessant ist, dass Bulgakow alle seelischen Schwankungen seiner Helden zuerst über deren Sprache andeutet. Der unter Schock stehende Besdomny vergisst für eine Weile seinen proletarischen Bilderbuch-Slang und redet geradezu gutbürgerlich. Als völlig verwandelter Mensch im
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