Meister und Margarita
der Schuss. Die Spiegel verschwanden. Die Vitrinen und Hocker brachen ein. Die Teppiche zergingen, mit ihnen die Vorhänge. Zuletzt löste sich dergigantische Haufen alter Kleider und Schuhe in Luft auf. Und die Bühne ward wieder streng, wüst und leer.
Doch an dieser Stelle trat ein ins Geschehen eine neue Handlungsperson.
Aus der Loge Nr. 2 ertönte ein schöner, klangvoller, herrischer Bariton:
– Dennoch täte es gut, Herr Artist, wenn Sie dem Publikum unverzüglich die Technik Ihrer Zaubertricks enthüllen wollten. Insbesondere des Tricks mit den Geldscheinen. Es wäre auch wünschenswert, wenn der Ansager zurück auf die Bühne kommen könnte. Sein Schicksal beunruhigt die Zuhörerschaft.
Der Bariton gehörte keinem anderen, als dem Ehrengast des heutigen Abends – Arkadij Apollonowitsch Semplejarow, Präsident der Akustischen Kommission aller Moskauer Schauspielhäuser.
Er saß in der Loge mit zwei Damen: einer älteren, kostspielig aufgeputzten, und einer anderen, jüngeren, hübschen, die etwas schlichter gekleidet war. Wie schon sehr bald (nämlich während der Abfassung des Protokolls) bekannt werden sollte, handelte es sich bei der Ersteren um Arkadij Apollonowitschs werte Gemahlin. Bei der Letzteren um seine entfernte Verwandte, eine aufstrebende Schauspielerin aus Saratow, die bei den Semplejarows logierte.
– ’tschuldigung! –, antwortete Fagot. – Tja, da gibt’s nicht viel zum Enthüllen! Ist doch eh alles klar.
– Nein, tut mir leid! Eine Enthüllung ist wirklich und absolut vonnöten. Weil sonst Ihre glänzenden Zaubertricks einen beschwerlichen Eindruck hinterlassen. Das Publikumskollektiv verlangt danach.
– Das Publikumskollektiv –, fiel der freche Lümmel Semplejarow mitten ins Wort, – hat eigentlich rein gar nix verlangt. Doch ich bin mal nicht so. Und will in Anbetracht Ihres höchst respektablen Wunsches, verehrter Arkadij Apollonowitsch, eine Enthüllung folgen lassen. Aber gestatten S’ mir zuvor noch eine klitzekleine Nummer!
– Wieso nicht! –, erwiderte gönnerhaft Arkadij Apollonowitsch. – Aber dieses Mal unbedingt mit Enthüllung!
– Zu Befehl, zu Befehl. Also, Arkadij Apollonowitsch. Dürft’ ich fragen: Wo haben S’ den gestrigen Abend verbracht?
Bei dieser einigermaßen unpassenden, wenn nicht gar dummdreisten Frage veränderte Semplejarows Gesicht die Farbe – und zwar drastisch.
– Arkadij Apollonowitsch war gestern Abend auf der Sitzung der Akustischen Kommission –, sagte sehr hochnäsig die Frau Gemahlin, – doch ich verstehe beim besten Willen nicht, was diese Frage mit Magie zu tun hat.
– Hehe, Madame! –, bestätigte Fagot. – Aber sicher verstehen S’ es nicht. Allein, mit der Sitzung sind S’ auf dem Holzweg. Nachdem Arkadij Apollonowitsch gestern zur besagten Sitzung gefahren ist (die – so ganz nebenbei – gestern überhaupt nicht stattfinden sollt’), hat er seinen Chauffeur vor dem Gebäude der Akustischen Kommission an den Klaren Teichen entlassen –, im Saal wurde es mucksmäuschenstill, – und einen Trolleybus zur Jelochowskaja-Straße genommen. Daselbst besuchte er die Schauspielerin des Bezirkswandertheaters Miliza Andrejewna Pokobatko und verbrachte bei ihr circa vier Stunden.
– Oje! –, seufzte jemand voll Mitgefühl in der eingetretenen Stille.
Indes Arkadij Apollonowitschs junge Verwandte plötzlich ein kehliges, unheilschweres Gelächter anschlug.
– Jetzt verstehe ich alles! –, rief sie laut. – Ich wusste es! Ich wusste es! Deshalb also darf diese Schlampe die Luise spielen!
Und sie holte aus mit ihrem kurzen, dicken, lila Schirm und versetzte Arkadij Apollonowitsch einen Schlag auf den Kopf.
Der gemeine Fagot alias Korowjew aber posaunte:
– Das, liebes Publikum, wär’ ein Exempel von Enthüllung, auf welcher Arkadij Apollonowitsch so hartnäckig bestanden hat!
– Wie kannst du es wagen, elendes Miststück, Arkadij Apollonowitsch anzufassen! –, donnerte in der Loge die werte Gemahlin und wuchs an zu ihrer einschüchternden Größe.
Und zum zweiten Mal wurde die junge Verwandte von einem diabolischen Lachkrampf geschüttelt.
– Also, wenn ihn hier eine anfassen darf –, prustete sie, – dann wohl sicherlich ich! –, und schon wieder krachte trocken der Schirm, von Semplejarows Kopf abprallend.
– Miliz! Ergreift sie! –, rief die Gemahlin so furchteinflößend, dass manchem das Blut in den Adern gerann.
Da hüpfte auch gleich der Kater zur Rampe und fauchte auf einmal, im
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