Meister und Margarita
Publikum. Der Kopf aber heulte, für alle hörbar und verzweifelt:
– Einen Arzt!
– Wirst du auch weiter so einen Schmarrn von dir geben? –, drohte Fagot dem wimmernden Kopf.
– Nein, nie wieder! –, röchelte jener.
– Um Gottes willen! Quält ihn doch nicht! –, drang aus der Loge eine Frauenstimme, den allgemeinen Tumult übertönend. Sofort drehte der Magier sein Gesicht ihr zu.
– Also was jetzt, Leute, wollen wir ihn verschonen? –, wandte sich Fagot an den Saal.
– Verschonen! Verschonen! –, erklangen erst spärliche, vornehmlich weibliche Ausrufe, in die sich bald schon männliche mischten, zu einem einzigen Chor anschwellend.
– Sie befehlen, Messire? –, fragte Fagot den Maskierten.
– Nun ja –, sagte jener, in Gedanken versunken, – es sind halt Menschen. Nicht besser und auch nicht schlechter als andere. Sie lieben das Geld – doch das ist ja nichts Neues … Menschen lieben nun einmal das Geld, ob aus Leder, Papier, Gold oder Bronze. Nun ja, sie sind leichtsinnig … Und manchmal pocht auch Mitleid an ihre Herzen … Gewöhnliche Menschen … Im großen Ganzen: fast so wie früher … Allein – die Wohnungsangelegenheiten haben sie verdorben … – Und laut befahl er: – Legt den Kopf wieder an.
Der Kater zielte möglichst genau und haute den Kopf zurück auf den Hals, worauf dieser sogleich seinen alten Platz einnahm, so als sei überhaupt nichts gewesen. Und das Beste: Es blieb keine einzige Schramme! Mit den Pfoten wedelte der Kater ein paarmal über Bengalskis Krawatte und Frack, und auch die letzten Blutspuren schwanden. Fagot half dem Sitzenden auf die Beine,steckte ihm einen Packen Zehner in die Tasche und komplimentierte ihn hinaus von der Bühne mit den Worten:
– Und jetzt scheren S’ sich gefälligst fort! Ohne Sie ist es sehr viel lustiger.
Der Ansager stierte sinnlos umher und schaffte es taumelnd gerade mal bis zum Feuerwehrstuhl, als ihm übel wurde. Er jammerte nur:
– Mein Kopf, mein Kopf!
Mit den anderen stürzte Rimski zu ihm. Der Ansager heulte, versuchte, etwas aus der Luft zu angeln und murmelte:
– Gebt mir den Kopf zurück! Meinen Kopf! Nehmt, was ihr wollt: die Wohnung, die Bilder, aber gebt mir den Kopf zurück!
Ein Hausbote holte schnell den Arzt. Alle waren bemüht, Bengalski auf die Couch in der Künstlergarderobe zu legen. Doch er schlug um sich, begann zu toben. Es musste also – wohl oder übel – ein Krankenwagen gerufen werden. Nachdem man den armen Ansager endlich weggebracht hatte, eilte Rimski zurück in den Saal und stellte fest, dass dort neue Wunder im Gange waren. Der Magier, übrigens, war zusammen mit seinem Sessel (ob kurz davor? ob gerade eben?) verschwunden – zumal völlig unbemerkt: Jene exorbitanten Dinge, die Fagot auf der Bühne geschehen ließ, schlugen das Publikum gründlich in Bann.
Den bedauernswerten Ansager abgefertigt, teilte Fagot den Zuschauern mit:
– Uff, diese Schmeißfliege sind wir los! Und eröffnen jetzt unser Damengeschäft!
Da bedeckte sich der Boden mit Perserteppichen. Überall erstanden riesige Spiegel, seitlich von grünlichen Röhren bestrahlt. Um sie – Vitrinen, und darin erblickten die Anwesenden voll froher Verblüffung – in jeder Couleur, in jeder Façon – Pariser Kleider. Zumindest in manchen. In anderen lagen Hunderte von Hütchen – mit Federschmuck, ohne Federschmuck – mit Schnallen oder auch ohne Schnallen. Dann – Aberhunderte von Schuhen – schwarz, weiß oder gelb – aus Leder, aus Atlas,aus Velours – mit Riemen oder mit bunten Perlen. Und dazwischen Parfumetuis. Und ganze Berge von Ridiküls – Antilope, Chagrin oder Chiffon. Dazwischen wiederum – haufenweise – längliche, goldene und verzierte Hülsen – ganz typisch für Lippenstifte.
Ein rothaariges Weib (weiß der Kuckuck, wo hergekommen) im schwarzen Galakleid (kein übles Weib, bis auf die bizarre Narbe am Hals) stand vor den Vitrinen mit dem einladenden Lächeln der Hausherrin.
Salbungsvoll grinsend erklärte Fagot, die Firma tauscht – und zwar absolut gratis – ältere Damenkleider und – schuhe gegen Pariser Modelle ein. Gleiches gilt auch für Täschchen und Sonstiges.
Der Kater begann, mit der hinteren Pfote Kratzfüße zu machen und mit der vorderen zu gestikulieren – wie ein Portier, der gerade dabei ist, die Türe zu öffnen.
Das Weib – wenn auch krächzend – stimmte mit charmantem accent etwas Schwerverständliches an, doch – den Frauengesichtern im Parkett nach zu
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