Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
Vom Netzwerk:
der gemarterten Räuber den Berg bestieg, war der Hauptmann der Kohorte – von Jerschalajim herbeigeritten, in Begleitung eines Ordonnanzoffiziers. Rattenschreck winkte. Die Kette ging auf. Der Centurio grüßte den Tribun. Dieser nahm ihn beiseite und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Worauf jener dann zum zweiten Mal grüßte und sich zu den Scharfrichtern begab. (Sie hockten auf den Steinen um die Pfähle herum.) Der Tribun aber wandte sich dem Mann zu, der auf dem dreibeinigen Schemel saß und sich sogleich respektvoll erhob. Auch ihm sagte er still ein paar Worte. Und beide schritten sie zu den Pfählen, zusammen mit dem Kommandanten der Tempelwache.
    Angeekelt schielte Rattenschreck auf das schmutzige Zeug am Boden. (Eben noch Kleidung der Missetäter.) Die Scharfrichter hatten es verschmäht. Zwei von ihnen rief er nun zu sich und befahl:
    – Mir nach!
    Von dem nächstliegenden Pfahl tönte heiser ein wirres Liedchen. Der Räuber Gestas, dort angebunden und nach drei Stunden von Sonne und Fliegen um den Verstand gebracht, sang leise etwas über Weintrauben. Dennoch schüttelte er manches Mal schwach das Haupt, das in einem Turban steckte, und die Fliegen hoben unwillig von seinem Gesicht ab, kehrten jedoch gleich wieder zurück.
    Dysmas, am zweiten Pfahl, litt mehr als die anderen, denn er war immer noch bei Sinnen. Er bewegte die ganze Zeit den Kopf – mal nach rechts, mal nach links –, um mit dem Ohr an die Schulter zu kommen.
    Mehr Glück als die anderen beiden hatte Jeschua. Seit der ersten Stunde von Ohnmacht heimgesucht, verlor er am Ende das Bewusstsein und ließ den Kopf im losen Turban schlaff herabhängen. Und so wurde er von Fliegen und Bremsen übersät. Sein Gesicht verschwand beinahe vollständig unter der schwarzen und kribbelnden Maske. In der Leistengegend, auf dem Bauch, in den Achselhöhlen setzten sich fette Insekten fest und sogen am gelben entblößten Leib.
    Den Zeichen des Kapuzenträgers gehorchend, schritt einer der Scharfrichter zu dem Pfahl – mit Eimer und Schwamm. Der zweite aber mit einer Lanze. Er hielt sie hoch und schlug Jeschua abwechselnd auf die Arme, die ausgestreckt und an den Querbalken geschnürt waren. Der Körper, aus dem die Rippen hervorsprangen, erbebte. Der Scharfrichter fuhr mit der Lanzenspitze über den Bauch. Da hob Jeschua seinen Kopf. Und summend schwirrten die Fliegen davon. Und es zeigte sich das Gesicht des Gehenkten: ein von Stichen gedunsenes, um die Augen aufgequollenes, bis zur Unkenntlichkeit entstelltes Gesicht.
    Ha-Nozri öffnete die verklebten Lider und sah nach unten. Sein ansonsten so klarer Blick schien ein wenig vernebelt.
    – Ha-Nozri! –, sagte der Scharfrichter.
    Ha-Nozri bewegte die geschwollenen Lippen und entgegnete mit rauchiger Räuberstimme:
    – Was willst du? Warum kommst du her?
    – Trink das! –, sagte der Scharfrichter. Und der mit Wasser getränkte Schwamm auf der Lanzenspitze schob sich an Jeschuas Mund heran. Mit aufblitzender Freude in den Augen begann jener das Nass zu schlürfen. Vom benachbarten Pfahl tönte Dysmas’ Stimme:
    – Das ist unrecht! Bin genauso ein Räuber wie er!
    Dysmas strengte die Glieder an und war doch unfähig, sich zu rühren. Seine Arme wurden an drei Stellen von Seilringen am Holz festgehalten. Er zog den Bauch ein, versenkte die Nägel in die Balkenenden, wandte den Kopf zu Jeschuas Pfahl – im Blick glühender Zorn.
    Eine Staubwolke bedeckte den Platz. Es wurde viel dunkler. Als der Staub verflog, rief der Centurio:
    – Ruhe da auf dem zweiten Pfahl!
    Dysmas verstummte. Jeschua riss sich vom Schwamm los. Es gelang ihm nicht, seiner Stimme mehr Weichheit und Nachdruck zu verleihen. Rau sprach er zum Scharfrichter:
    – Gib ihm zu trinken.
    Es wurde noch finsterer. Auf ihrem Weg nach Jerschalajim überschwemmte die Wolke den halben Himmel. Sie war voll schwarzer Feuchte und Feuer. Weiße brausende Schwaden eilten voraus. Ein Licht erstrahlte, ein Dröhnen erscholl unmittelbar über dem Hügel. Der Scharfrichter nahm den Schwamm von der Lanze.
    – Preise den gütigen Hegemon! –, flüsterte er feierlich und pikste Jeschua sanft ins Herz. Dieser zuckte und hauchte:
    – Hegemon …
    Das Blut rann ihm über den Bauch. Der untere Kiefer erzitterte krampfhaft. Der Kopf sank.
    Beim zweiten Donnerschlag labte der Scharfrichter bereits Dysmas – und zwar mit denselben Worten:
    – Preise den Hegemon! –, und tötete auch ihn.
    Gestas, von Sinnen, schrie erschrocken auf, sobald der Scharfrichter

Weitere Kostenlose Bücher