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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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auf einmal die höchste Stellung inne.

    Gegen zehn Uhr morgens war die Schlange der nach Karten Lechzenden so angeschwollen, dass die Miliz davon Wind bekam und sagenhaft schnell Einheiten schickte, die – zu Fuß und zu Pferd – herbeieilten und dem Ansturm ein wenig Struktur verliehen. Aber selbst eine wohlstrukturierte Schlange stellt, wenn sie einen Kilometer lang ist, die denkbar größte Versuchung dar. Darum sorgte auch die auf der Gartenstraße für gewaltiges allgemeines Aufsehen.
    Soviel zur Außenwelt. Drinnen im Varieté war ebenfalls längst nicht alles in Butter. Die Telefone klingelten seit dem frühesten Morgen – und sie klingelten pausenlos. Bei Lichodejew, bei Rimski, in der Buchhaltung, in der Kasse, in Warenuchas Büro. Anfangs bemühte sich Wassilij Stepanowitsch noch dranzugehen. Genauso die Kartenverkäuferin. Die Theaterdiener stammelten etwas in den Hörer hinein. Bald sollte das freilich ein Ende nehmen: Auf die Frage, wo Lichodejew, Warenucha und Rimski denn seien, gab es nicht das Geringste zu sagen. Erst versuchte man es mit der Antwort: »Lichodejew ist bei sich daheim.« Doch die von der Stadt meinten darauf, man habe es bei ihm daheim schon probiert und bei ihm daheim die Nachricht erhalten: »Lichodejew ist auf der Arbeit.«
    Eine überreizte Dame rief an, verlangte nach Rimski und wurde gebeten, doch am besten seine Frau zu kontaktieren. Worauf die Hörmuschel in Schluchzer ausbrach und beteuerte, sie sei Rimskis Frau, und Rimski selbst nirgends aufzufinden. Daraufhin begann ein Tohuwabohu. Die Putzfrau hatte ja schon allen erzählt, wie sie zum Saubermachen ins Büro des Finanzdirektors gekommen war. Und die Tür – sperrangelweit auf, das Licht – noch an, das Fenster – kaputt, der Sessel – umgeschmissen und kein Mensch da.
    Kurz nach zehn stürmte ins Theater Madame Rimski höchstpersönlich. Sie weinte lautstark und rang die Hände. Wassilij Stepanowitsch Lastotschkin geriet nun gänzlich durcheinanderund wusste keinen Rat. Halb elf schließlich erschien die Miliz. Deren erste Frage – völlig zu Recht – lautete:
    – Was geht hier vor, Genossen? Wo liegt denn eigentlich das Problem?
    Da wich die gesamte Mannschaft zurück, den bleich und nervös gewordenen Wassilij Stepanowitsch vorschiebend. Also hieß es: Das Kind beim Namen nennen. Sprich, zunächst einmal eingestehen, dass die Leitung des Varieté – als da sind der Direktor, der Finanzdirektor und der Administrator – verschwunden ist und sich weiß Gott wo befindet. Dass der Ansager nach der gestrigen Séance in die Psychiatrie eingeliefert werden musste. Und dass diese gestrige Séance alles in allem ein Skandal war.
    Die aufgelöste Madame Rimski wurde, so gut es ging, beruhigt und zurück nach Hause gesandt. Für das größte Interesse sorgte indes der Bericht der Putzfrau über das Vorfinden des Finanzdirektor-Büros. Dann forderte man die Angestellten auf, ihre Plätze wieder einzunehmen und sich bei der Arbeit nicht stören zu lassen. Und schon eine kurze Weile später begannen im Haus die Ermittlungen, unterstützt von einem spitzohrigen, sehnigen, zigarettenaschefarbenen Hund mit ausgesprochen intelligenten Augen. Unter den Mitarbeitern des Varieté verbreitete sich wie im Flug die Nachricht, es sei der berühmte Hund Karo-Ass. Und das stimmte tatsächlich. Sein Verhalten verblüffte alle. Kaum betrat er das Büro des Finanzdirektors, da knurrte er, fletschte die gelblichen Zähne, legte sich sodann auf den Bauch und kroch mit wehmütigem und zugleich auch zornigem Ausdruck zur zerbrochenen Scheibe. Dort überwand er seine Furcht, huschte aufs Fensterbrett, hob die Schnauze und heulte los, erbittert und wild. Er weigerte sich, wieder fortzugehen, jaulte, zuckte und schickte sich an, nach unten in den Garten zu springen.
    Man führte den Hund hinaus ins Foyer. Daraufhin verließ er das Haus durch den Haupteingang und ging mit allen, die ihm folgten, bis zum nächsten Taxistand. Da verlor Karo-Ass seine Spur und wurde weggebracht.

    Die Ermittlung ließ sich in Warenuchas Büro nieder. Und die Angestellten des Varieté, welche die Ereignisse der gestrigen Séance miterlebt hatten, durften nacheinander eintreten. Dabei kam es die ganze Zeit zu unvorhergesehenen Schwierigkeiten. Der Faden riss immer wieder ab.
    Gab es denn etwa keine Plakate? Und ob es sie gab. Je nun, in der Nacht wurden sie halt mit neuen überklebt. Und nicht ein einziges ist geblieben. Da kannst du machen, was du willst! Wo kommt

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