Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meistererzählungen

Meistererzählungen

Titel: Meistererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
Vom Netzwerk:
dem Fuße um.
    »Sollen wir nicht weiterspielen?« fragte Berta schüchtern.
    »Ach, zu zweien ist es nichts. Ich will aufräumen.«
    Sie half ihm bescheiden. Als alle Kegel wieder in der Kiste waren, sah er sich nach Th
    usnelde um. Sie war im
    Park ver schwunden. Natürlich, er war ja für sie nur ein dummer Junge.
    »Was nun?«

73
    »Vielleicht zeigen Sie mir den Park ein wenig?«
    Da schritt er so rasch durch die Wege voran, daß Berta au ßer Atem kam und fast laufen mußte, um nachzukom-men. Er zeigte ihr das Wäldchen und die Platanenallee, dann die Blutbuche und die Wiesen. Während er sich beinahe ein we nig schämte, so grob und wortkarg zu sein, wunderte er sich zugleich, daß er sich vor Berta gar nimmer geniere. Er ging mit ihr um, wie wenn sie zwei Jahre jünger wäre. Und sie war still, sanft und schüchtern, sagte kaum ein Wort und sah ihn nur zuweilen an, als bäte sie für irgend etwas um Entschuldi gung.
    Bei der Trauerweide trafen sie mit den beiden andern zu sammen. Der Kandidat redete noch fort, das Fräulein war still geworden und schien verstimmt. Paul wurde plötzlich gesprächiger. Er machte auf den alten Baum aufmerksam, schlug die herabhängenden Zweige auseinander und zeigte die um den Stamm laufende Rund-bank.
    »Wir wollen sitzen«, befahl Fräulein Th
    usnelde.
    Alle setzte sich nebeneinander auf die Bank. Es war hier sehr warm und dunstig, die grüne Dämmerung war schlaff und schwül und machte schläfrig. Paul saß rechts neben Th
    usnelde.
    »Wie still es da ist!« begann Herr Homburger.
    Das Fräulein nickte.
    »Und so heiß!« sagte sie. »Wir wollen eine Weile nichts re den.«
    Da saßen alle vier schweigend. Neben Paul lag auf 74
    der Bank Th
    usneldes Hand, eine lange und schmale Da-
    menhand mit schlanken Fingern und feinen, gepfl egten, mattglänzen den Nägeln. Paul sah beständig die Hand an. Sie kam aus ei nem weiten hellgrauen Ärmel hervor, so weiß wie der bis übers Gelenk sichtbare Arm, sie bog sich vom Gelenk etwas nach außen und lag ganz still, als sei sie müde.
    Und alle schwiegen. Paul dachte an gestern abend.
    Da war dieselbe Hand auch so lang und still und ruhend herabge hängt und die ganze Gestalt so regungslos halb gesessen, halb gelegen. Es paßte zu ihr, zu ihrer Figur und zu ihren Kleidern, zu ihrer angenehm weichen, nicht ganz freien Stimme, auch zu ihrem Gesicht, das mit den ruhigen Augen so klug und abwartend und gelassen aussah.
    Herr Homburger sah auf die Uhr.
    »Verzeihen Sie, meine Damen, ich sollte nun an die Arbeit. Sie bleiben doch hier, Paul?« Er verbeugte sich und ging.
    Die andern blieben schweigend sitzen. Paul hatte seine Linke langsam und mit ängstlicher Vorsicht wie ein Verbre cher der Frauenhand genähert und dann dicht neben ihr lie gen lassen. Er wußte nicht, warum er es tat. Es geschah ohne seinen Willen, und dabei wurde ihm so drückend bang und heiß, daß seine Stirn voll von Tropfen stand.
    »Krocket spiele ich auch nicht gerne«, sagte Berta leise, wie aus einem Traum heraus. Durch das Weggehen 75
    des Hauslehrers war zwischen ihr und Paul eine Lücke entstan den, und sie hatte sich die ganze Zeit besonnen, ob sie her rücken solle oder nicht. Es war ihr, je länger sie zauderte, im mer schwerer vorgekommen, es zu tun, und nun fi ng sie, nur um sich nicht länger ganz allein zu fühlen, zu reden an.
    »Es ist wirklich kein nettes Spiel«, fügte sie nach einer lan gen Pause mit unsicherer Stimme hinzu. Doch antwortete niemand. Es war wieder ganz still. Paul glaubte sein Herz schlagen zu hören. Es trieb ihn, aufzuspringen und irgend et was Lustiges oder Dummes zu sagen oder wegzulaufen. Aber er blieb sitzen, ließ seine Hand liegen und hatte ein Ge fühl, als würde ihm langsam, langsam die Luft entzogen, bis zum Ersticken. Nur war es angenehm, auf eine traurige, quä lende Art angenehm.
    Fräulein Th
    usnelde blickte in Pauls Gesicht, mit ih-
    rem ru higen und etwas müden Blick. Sie sah, daß er unverwandt auf seine Linke schaute, die dicht neben ihrer Rechten auf der Bank lag.
    Da hob sie ihre Rechte ein wenig, legte sie fest auf Pauls Hand und ließ sie da liegen.
    Ihre Hand war weich, doch kräftig und von trockener Wärme. Paul erschrak wie ein überraschter Dieb und fi ng zu zittern an, zog aber seine Hand nicht weg. Er konnte kaum noch atmen, so stark arbeitete sein Herzschlag, und sein gan zer Leib brannte und fror zugleich.
    Langsam wurde er blaß und sah das Fräulein fl ehend und angstvoll an.

76
    »Sind Sie

Weitere Kostenlose Bücher