Meistererzählungen
sind Sie nun ge straft. Denn Sie müssen den Austritt aus Ihrem Orden, den Sie freiwillig und in Ehren hätten suchen sollen, jetzt eben unfreiwillig tun. Mir scheint, Sie können gar nichts anderes tun, als Ihre Sache mit aller Off enheit Ihren Oberen anheim stellen. Ist das nicht Ihre Meinung?«
»Ja, das ist sie; ich habe es mir nicht anders gedacht.«
»Gut also. Und was wird dann aus Ihnen werden?«
»Das ist es eben! Ich werde ohne Zweifel nicht im Orden behalten werden, was ich auch keinesfalls annehmen würde. Mein Wille ist, ein stilles Leben als ein fl ei-
ßiger und ehrlicher Mensch anzufangen; denn ich bin zu jeder anständigen Ar beit bereit und habe manche Kenntnisse, die mir nützen kön nen.«
»Recht so, das habe ich von Ihnen erwartet.«
»Ja. Aber nun werde ich nicht nur aus dem Kloster entlas sen werden, sondern muß auch für die mir anver-trauten Summen, die dem Kloster gehören, mit meiner Person ein treten. Da ich diese Summen in der Haupt-179
sache nicht selber veruntreut, sondern an Schelme verloren habe, wäre es mir doch gar bitter, für sie wie ein gemeiner Betrüger zur Re chenschaft gezogen zu werden.«
»Das verstehe ich wohl. Aber wie wollen Sie das verhü ten?«
»Das weiß ich noch nicht. Ich würde, wie es selbstverständlich ist, das Geld so bald und so vollkommen als mög lich zu ersetzen suchen. Wenn es möglich wäre, dafür eine einstweilige Bürgschaft zu stellen, so könnte wohl ein ge richtliches Verfahren ganz vermieden werden.«
Die Frau sah ihn forschend an.
»Was wären in diesem Falle Ihre Pläne?« fragte sie dann ruhig.
»Dann würde ich außer Landes eine Arbeit suchen und mich bemühen, vor allem jene Summe abzutragen.
Sollte je doch die Person, welche für mich bürgt, mir anders raten und mich anders zu verwenden wünschen, so wäre mir natür lich dieser Wunsch Befehl.«
Frau Tanner erhob sich und tat einige erregte Schritte durchs Zimmer. Sie blieb außerhalb des Lichtkreises der Lampe in der Dämmerung stehen und sagte leise von dort herüber: »Und die Person, von der Sie reden und die für Sie bürgen soll, die soll ich sein?«
Herr Matthias war ebenfalls aufgestanden.
»Wenn Sie wollen – ja«, sagte er tief atmend. »Da ich mich Ihnen, die ich noch kaum kannte, so weit eröff net 180
habe, mag auch das gewagt sein. Ach, liebe Frau Tanner, es ist mir wun derlich, wie ich in meiner elenden Lage zu solcher Kühnheit komme. Aber ich weiß keinen Richter, dem ich mich so leicht und gerne zu jedem Ur-teilsspruch überließe, wie Ihnen. Sa gen Sie ein Wort, so gehe ich heute noch für immer aus Ihren Augen.«
Sie trat an den Tisch zurück, wo vom Abend her noch eine feine Stickarbeit und eine umgefalzte Zeitung lag, und ver barg ihre leicht zitternden Hände hinter ihrem Rücken. Dann lächelte sie ganz leicht und sagte: »Danke für Ihr Ver trauen, Herr Matthias, es soll in guten Händen sein. Aber Geschäfte tut man nicht so in einer Abendstimmung ab. Wir wollen jetzt zur Ruhe gehen, die Magd wird Sie ins Gärtner haus führen. Morgen früh um sieben wollen wir hier früh stücken und weiterre-den, dann können Sie noch leicht den ersten Bahnzug erreichen.«
In dieser Nacht hatte der fl üchtige Pater einen weit besse ren Schlaf als seine gütige Wirtin. Er holte in einer tiefen achtstündigen Ruhe das Versäumte zweier Tage und Nächte ein und erwachte zur rechten Zeit ausge-ruht und helläugig, so daß ihn die Frau Tanner beim Frühstück erstaunt und wohlgefällig betrachten mußte.
Diese verlor über der Sache Matthias den größten Teil ih rer Nachtruhe. Die Bitte des Paters hätte, soweit sie nur das verlorene Geld betraf, ihr dies nicht angetan. Aber es war ihr sonderbar zu Herzen gegangen, wie da ein fremder Mensch, der nur ein einzigesmal zuvor 181
fl üchtig ihren Weg gestreift, in der Stunde peinlicher Not so voll Vertrauen zu ihr gekom men war, fast wie ein Kind zur Mutter. Und daß ihr selber dies doch eigentlich nicht erstaunlich gewesen war, daß sie es ohne weiteres verstanden und beinahe wie etwas Erwartetes aufgenommen hatte, während sie sonst eher zum Mißtrauen neigte, das schien ihr darauf zu deuten, daß zwischen ihr und dem Fremden ein Zug von Geschwisterlichkeit und heimli cher Harmonie bestehe.
Der Pater hatte ihr schon bei seinem ersten Besuche neu lich einen angenehmen Eindruck gemacht. Sie muß-
te ihn für einen lebenstüchtigen, harmlosen Menschen halten, dazu war er ein hübscher und gebildeter Mann.
An
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