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Meistererzählungen

Meistererzählungen

Titel: Meistererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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diesem Urteil hatte das seither Erfahrene nichts ge-
    ändert, nur daß die Ge stalt des Paters dadurch in ein etwas schwankendes Licht von Abenteuer gerückt und in seinem Charakter immerhin eine gewisse Schwäche enthüllt schien.
    Dies alles hätte hingereicht, dem Mann ihre Teilnahme zu gewinnen, wobei sie die geforderte Bürgschaft oder Geld summe gar nicht beachtet haben würde. Durch die merkwür dige Sympathie jedoch, die sie mit dem Fremden verband und die auch in den sorgenvollen Gedanken dieser Nacht nicht abgenommen hatte, war alles in eine andere Beleuch tung getreten, wo das Geschäftliche und persönliche arg eng aneinander hing und wo sonst harmlose Ding ein bedeuten des, ja schicksalhaftes Aussehen gewannen. Wenn wirklich dieser Mann so viel 182
    Macht über sie hatte und so viel Anzie hung zwischen ihnen beiden bestand, so war es mit einem Geschenke nicht getan, sondern es mußten daraus dauernde Verhältnisse und Beziehungen entstehen, die immerhin auf ihr Leben großen Einfl uß gewinnen konnten.
    Dem gewesenen Pater schlechthin mit einer Geldga-be aus der Not und ins Ausland zu helfen, unter Aus-schluß aller weiteren Beteiligung an seinem Schicksal als einfache Abfi n dung, das ging nicht an, dazu stand ihr der Mann zu hoch. Andererseits trug sie Bedenken, ihn auf seine immerhin selt
    samen Geständnisse hin
    ohne weiteres in ihr Leben aufzu nehmen, dessen Freiheit und Übersicht sie liebte. Und wieder tat es ihr weh und schien ihr unmöglich, den Armen ganz ohne Hilfe zu lassen.
    So sann sie mehrere Stunden hin und wider, und als sie nach kurzem Schlaf in guter Toilette das Frühstücks-zimmer betrat, sah sie ein wenig geschwächt und müde aus. Matthias begrüßte sie und blickte ihr so klar in die Augen, daß ihr Herz sich rasch wieder erwärmte. Sie sah, es war ihm mit al lem, was er gestern gesagt, vollkommen ernst, und er würde zuverlässig dabei bleiben.
    Sie schenkte ihm Kaff ee und Milch ein, ohne mehr als die notwendigen geselligen Worte dazu zu sagen, und gab Auf trag, daß später für ihren Gast der Wagen angespannt werde, da er zum Bahnhof müsse. Zierlich aß sie aus silbernem Be cherlein und trank eine Schale Milch dazu, und erst als sie damit und der Gast eben-183
    falls mit seinem Morgenkaff ee fer tig war, begann sie zu sprechen.
    »Sie haben mir gestern«, sagte sie, »eine Frage und Bitte vorgelegt, über die ich mich nun besonnen habe.
    Sie haben auch ein Versprechen gegeben, nämlich in allem und jedem es so zu halten, wie ich es gutfi nden werde. Ist das Ihr Ernst gewesen und wollen Sie sich noch dazu bekennen?«
    Er sah sie ernsthaft und innig an und sagte einfach:
    »Ja.«
    »Gut, so will ich Ihnen sagen, was ich mir zurechtge-legt habe. Sie wissen selbst, daß Sie mit Ihrer Bitte nicht nur mein Schuldner werden, sondern mir und meinem Leben auf eine Weise nähertreten wollen, deren Bedeutung und Folgen für uns beide wichtig werden können.
    Sie wollen nicht ein Ge schenk von mir haben, sondern mein Vertrauen und meine Freundschaft. Das ist mir lieb und ehrenvoll, doch müssen Sie selbst zugeben, daß Ihre Bitte in einem Augenblick an mich gekommen ist, wo Sie nicht völlig tadelfrei dastehen und wo manches Bedenken wider Sie erlaubt und möglich ist.«
    Matthias nickte errötend, lächelte aber ein klein wenig dazu, weshalb sie ihren Ton sofort um einen Schatten stren ger werden ließ.
    »Eben darum kann ich leider Ihren Vorschlag nicht anneh men, werter Herr. Es ist mir für die Zuverlässig-keit und Dauer Ihrer guten Gesinnung zu wenig Gewähr vorhanden. Wie es mit Ihrer Freundschaft und Treue be-184
    schaff en ist, das kann ich auch nicht wissen, seit Sie mir das mit Ihrem Freunde Breitinger erzählt haben. Ich bin daher gesonnen, Sie beim Worte zu nehmen. Sie sind mir zu gut, als daß ich Sie mit Geld abfi nden möchte, und Sie sind mir wieder zu fremd und unsicher, als daß ich Sie ohne weiteres in meinen Lebenskreis aufnehmen könnte. Darum stelle ich Ihre Treue auf eine vielleicht schwere Probe, indem ich Sie bitte: Reisen Sie heim, übergeben Sie Ihren ganzen Handel dem Kloster, fügen Sie sich in alles, auch in eine Bestrafung durch die Gerichte! Wenn Sie das tapfer und ehrlich tun wollen, ohne mich in der Sache irgend zu nennen, so verspreche ich Ihnen dagegen, nachher keinen Zweifel mehr an Ihnen zu haben und Ihnen zu helfen, wenn Sie mit Mut und Fröhlichkeit ein neues Leben anfangen wollen. – Haben Sie mich verstanden und soll es gelten?«
    Herr

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