Meistererzählungen
Matthias nahm ihre ausgestreckte Hand, blickte ihr mit Bewunderung und tiefer Rührung in das schön erregte bleiche Gesicht und machte eine sonderbare stürmische Be wegung, beinahe als wollte er sie in die Arme schließen. Statt dessen verbeugte er sich sehr tief und drückte auf die schmale Damenhand einen festen Kuß. Dann ging er auf recht aus dem Zimmer, ohne weiteren Abschied zu nehmen, und schritt durch den Garten und stieg in das draußen war tende Kabriolet, während die überraschte Frau seiner großen Gestalt und entschiedenen Bewegung in sonderbar gemisch ter Empfi ndung nachschaute.
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Als der Pater Matthias in seinem städtischen Anzug und mit einem merkwürdig veränderten Gesicht wieder in sein Kloster gegangen kam und ohne Umweg den Guardian auf suchte, da zuckte Schrecken, Erstaunen und lüsterne Neu gierde durch die alten Hallen. Doch erfuhr niemand etwas Gewisses. Hingegen fand schon nach einer Stunde eine ge heime Sitzung der Oberen statt, in welcher die Herren trotz mancher Bedenken schlüssig wurden, den üblen Fall mit aller Sorgfalt ge-heimzuhalten, die verlorenen Gelder zu ver schmerzen und den Pater lediglich mit einer längeren Buße in einem ausländischen Kloster zu bestrafen.
Da er hereingeführt und ihm dieser Entscheid mit-geteilt wurde, setzte er die milden Richter durch seine Weigerung, ihren Spruch anzuerkennen, in kein geringes Erstaunen. Allein es half kein Drohen und kein gü-
tiges Zureden, Matthias blieb dabei, um seine Entlas-sung aus dem Orden zu bitten. Wolle man ihm, fügte er hinzu, die durch seinen Leichtsinn verlorengegangene Opfersumme als persönliche Schuld stunden und deren allmähliche Abtragung erlauben, so würde er dies dankbar als eine große Gnade annehmen, an dernfalls jedoch ziehe er es vor, daß seine Sache von einem weltlichen Gericht ausgetragen werde.
Da war guter Rat teuer, und während Matthias Tag um Tag einsam in strengem Zellenarrest gehalten wurde, be schäftigte seine Angelegenheit die Vorgesetzten bis nach Rom hin, ohne daß der Gefangene über den 186
Stand der Dinge das Geringste erfahren konnte. Es hät-te auch noch viele Zeit darüber hingehen können, wäre nicht durch einen unvermu teten Anstoß von außen her plötzlich alles in Fluß gekom men und nach einer ganz anderen Entwicklung hin gedrängt worden.
Es wurde nämlich, zehn Tage nach des Paters un-
seliger Rückkehr, amtlich und eilig von der Behörde angefragt, ob etwa dem Kloster neuestens ein Insasse oder doch eine so und so beschriebene Ordenskleidung abhanden gekommen, da diese Gewandung soeben als Inhalt eines auf dem Bahn hofe abgegebenen rätselhaften Handkoff ers festgestellt wor den sei. Es habe dieser Koff er, der seit genau zwölf Tagen in jener Station lagere, infolge eines schwebenden Prozesses geöff net werden müssen, da ein unter schwerem Verdacht ver-hafteter Gauner neben anderem gestohlenen Gute auch den auf obigen Koff er lautenden Gepäckschein bei sich ge tragen habe.
Eilig lief nun einer der Väter zur Behörde, bat um nähere Auskünfte und reiste, da er diese nicht erhielt, unverweilt in die benachbarte Provinzhauptstadt, wo er sich viele, doch vergebliche Mühe gab, die Person und die Spuren des guten Paters’ Matthias als mit dem Gau-nerprozesse unzusammen hängenden darzustellen. Der Staatsanwalt zeigte im Gegen teil für diese Spuren ein lebhaftes Interesse und eine große Lust, den einstweilen als krankliegend entschuldigten Pater Matthias selber kennenzulernen.
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Durch diese Ereignisse kam plötzlich eine schroff e Ände rung in die Taktik der Väter. Es wurde nun, um zu retten, was noch zu retten wäre, der Pater Matthias mit aller Feierlichkeit aus dem Orden ausgestoßen, der Staatsanwaltschaft übergeben und wegen Veruntreuung von Klostergeldern an geklagt. Und von dieser Stunde an füllte der Prozeß des Pa ters nicht nur die Aktenmappen der Richter und Anwälte, sondern auch als Skandalge-schichte alle Zeitungen, so daß sein Name im ganzen Lande widerhallte.
Da niemand sich des Mannes annahm, da sein Orden ihn völlig preisgab und die öff entliche Meinung, dargestellt durch die Artikel der liberalen Tagesblätter, den Pater kei neswegs schonte und den Anlaß zu einer kleinen frohen Hetze wider die Klöster benutzte, kam der Angeklagte in eine wahre Hölle von Verdacht und Ver-leumdung und be kam eine schlimmere Suppe auszues-sen, als er sich einge brockt zu haben meinte. Er hielt sich aber in aller Bedrängnis brav und tat keine
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