Melanie - Inside Joke - Claußtrophobia
erledigt. Doch es machte sie nicht weniger mörderisch. Vermutlich beherrschte sie ein Dutzend Schläge, mit denen man einen Menschen töten konnte.
„Es ist also Showdown, was?“, begann Melanie. Sie sagte, was ihr gerade durch den Kopf schoss, ohne die Worte abzuwägen. Und erschrak über sich selbst.
„Showdown“, wiederholte Madoka, als müsse sie über das Wort nachdenken. „Wenn du meinst …“
„Was tust du hier?“ Melanie wich einen Schritt zurück, und als es ihr auffiel, zwang sie sich zum Stehenbleiben.
„Warum fragst du mich, was du schon weißt? Ich bin dir gefolgt.“
„Ja, ganz offensichtlich. Wenigstens das gibst du zu. Okay. Und wo… wozu das?“ Ihre Stimme zitterte, und natürlich war es ihr bewusst.
„Um die Wahrheit zu erfahren.“ Madoka kam langsam, sehr langsam näher.
„Oh, du überraschst mich.“ Melanie verzog ihre Lippen zu einem zynischen Lächeln. „Woher rührt dein plötzliches Verlangen nach der Wahrheit? Bisher hat sie dich nicht übermäßig interessiert.“ Zu forsch, sie war zu forsch! Sie musste sich bremsen, sonst …
Blinzelte Madoka überhaupt? Ihr Blick war lähmend. „Glaubst du?“, fragte sie.
Melanie hob theatralisch die Schultern. Sie spürte, wie es in ihrem Gesicht zuckte. „Du hast nicht zugegeben, mir mit dem Tod gedroht zu haben.“
„Ja, du hast recht. Ich habe es nicht zugegeben. Aber ich habe es auch nicht geleugnet. Ich habe es vorgezogen, nichts dazu zu sagen. Nicht, ehe ich die genauen Zusammenhänge kenne.“ Fünf Schritte vor Melanie blieb sie stehen. „Nicht, ehe ich präzise weiß, warum ich es getan habe …“
„Warum?“ Melanie lachte humorlos. „ Warum? Du warst sauer, weil ich Arturs Schutzengel befreien wollte. Du hattest Angst, er könnte dich noch einmal attackieren.“
„Das kann nicht der einzige Grund gewesen sein.“ In die Kälte und Abwesenheit, die aus Madokas Mimik sprachen, mischte sich nun ein neues Element. Eine Art … Eindringlichkeit. Etwas, das aufrichtig wirken sollte. War sie aufrichtig? „Melanie, ich hatte in meinem Leben bis zu diesem Tag erst einem einzigen Menschen den Tod gewünscht. Dieser Mensch war ich selbst. Ich hatte wirkliche, ernsthafte Gründe dafür. Du – du warst der zweite Mensch, bei dem ich mir hätte vorstellen können, ihn umzubringen. Und ich weiß bis heute nicht, was dieses Gefühl bei mir ausgelöst hat. Ich habe seither viel darüber nachgedacht. Eines scheint mir sicher zu sein: Es ging damals nicht nur um den Schutzgeist, sondern um etwas anderes, etwas Größeres. Glaub mir, es macht mir so viel Angst wie dir.“
Da hatte Melanie ihre berechtigten Zweifel. Sie antwortete nichts, sah sich wieder um. Konnte nicht irgendjemand bitte an diesen Ort kommen? Jemand aus Falkengrund, der ihr beider Verschwinden bemerkt hatte und Eins und Eins zusammenzählte. Oder ein zufälliger Wanderer, ein Naturfreund, ein Förster, eine lächerliche, spurensuchende Gruppe von Pfadfindern …
„Wollen wir uns nicht setzen, Melanie, und über die Sache reden wie zwei zivilisierte Menschen?“
Melanie akzeptierte das Wort „zivilisiert“ aus dem Munde dieser Frau nicht. Und sie glaubte auch nicht daran, dass ein vernünftiges Gespräch mit ihr möglich war. Was sie gerade losgelassen hatte, deutete wieder stark darauf hin, dass sie nicht alle Reiskörner in der Schüssel hatte. Was meinte sie damit, wenn sie sagte, sie wolle herausfinden, warum sie sie angegriffen hatte?
Aber was blieb Melanie übrig als ihrem Wunsch zu folgen? Vorsichtig ließ sie sich auf dem Baumstamm nieder, auf dem sie zuvor gesessen hatte. Madoka setzte sich neben sie. Zwischen ihnen blieb ein Abstand von zwei Metern, eine entsetzlich geringe Distanz für Melanie. Wenn sie beide ihre Arme ausstreckten, konnten sie sich berühren.
Nicht, dass es dazu kommen würde. Nicht, wenn es nach ihr, Melanie, ging.
Sie schwiegen eine Weile. Auch Madoka schien die Ameisen zu ihren Füßen entdeckt zu haben und beobachtete sie. Diese Geste ließ sie menschlich erscheinen, aber Melanie war auf der Hut, um sich nicht einwickeln zu lassen. Wahrscheinlich war es Theater.
„Warum bist du hier?“, fragte die Japanerin leise. „Warum bist du nicht bei den anderen, auf Falkengrund?“
„Ach, bin ich eine Gefangene dort?“, gab Melanie patzig zurück.
„Nein“, antwortete Madoka. „Aber dein Auftrag schreibt doch vor, Beobachtungen anzustellen. Was gibt es hier draußen zu beobachten? Hier ist nichts.“
„Mein
Weitere Kostenlose Bücher