Meleons magische Schokoladen
schlug bei diesem Anblick die Hände über dem Kopf zusammen.
Kurz vor Ladenschluss betrat Isabell Meleons Laden. Niklas war eben dabei, aufzuräumen.
„Das war ein Schreck“, sagte er, statt einer Begrüßung. „Die Glocke schlug dreimal. Und da kam Meleon angestürzt, blass wie Schnee, und schrie mich an, ich solle alles verriegeln, Sie seien in Gefahr, und weg war er!“
„Was waren das für Raubkatzen?“, fragte Isabell. „Wer außer Herrn Meleon kann Sekoy machen?“
„Eigentlich niemand. Aber gehen Sie hinauf. Er wartet schon auf Sie.“
Der Duft der heißen Schokolade empfing sie, doch diesmal hatte der Geruch eine Schärfe wie von Alkohol.
„Was ist es?“, fragte sie, als sie die letzte Stufe nahm. „Orangenlikör?“
„In der Tat“, sagte Meleon. „Eine feine Zutat zu guter Schokolade. Man kröne sie noch mit geschlagener Sahne und bestreue diese mit ein wenig kandierter Orangenschale.“
Er reichte ihr die Tasse auf einer ausladenden goldenen Untertasse, die dasselbe Wappen trug, wie der Teppich in ihrem Elternhaus: eine helle und eine dunkle Katze, stehend, die Tatzen nach außen gerichtet und beide mit einer flachen Krone geschmückt.
Meleon trug an diesem Abend Kleider, wie Isabell sie noch nie an ihm gesehen hatte. Eng anliegende Hosen, Stiefel und ein tailliertes Gewand, dessen spitzenverzierte Ärmel weit herabhingen. Auf seinem Haar saß ein Samtbarett.
„Ein besonderer Anlass?“, fragte sie.
Meleon stellte seine Tasse ab.
„So ist es. Diese Kleider trägt ein Mitglied des Hofes am Tage der offiziellen Brautwerbung.“
„Oh, wer ist denn die Glückliche?“, fragte Isabell abwehrend.
Meleon lächelte nur.
Er nahm von einem Bord über seinem Bett einen Kasten und öffnete ihn. Darin saßen eine helle und eine dunkle Katze auf lichtblauem Samt.
Jede war so groß wie eine Hand, im Detail liebevoll ausgestaltet und mit Augen in der Farbe ihres Gegenübers.
„Schnuppern Sie, Isabell! Und dann weisen Sie mich zurück, wenn das dann noch können!“
Er bewegte den Kasten ein wenig. Ein Geruch nach weißer Schokolade, nach Mohn, scharfem Alkohol und betörender Vanille stieg Isabell in die Nase.
„Wollten Sie in diesem Zusammenhang nicht auf Zauber verzichten?“, fragte sie.
„Das ist keine Magie außer jener der Sinnlichkeit und des guten Geschmacks. Und beides sind Zauber, die Sie ebenso anzuwenden verstehen.“
„Ich tue nichts dergleichen“, sagte Isabell indigniert.
„Sie merken es vielleicht nicht“, entgegnete Meleon und hob den Kasten höher.
Isabell konnte ihre Hand nur mit äußerster Anstrengung davon abhalten, nach dem Kachmar zu greifen. Sie machte einen Schritt rückwärts, auch wenn das einem Eingeständnis gleichkam.
„Was würde geschehen, wenn ich einen von beiden äße? Ich würde ein Sekoy, nicht wahr? Mit welchem Auftrag?“
Sie erwartete, ihn damit in Verlegenheit zu setzen, doch er lachte.
„Das sind keine Sekoy. Diese beiden bieten Verwandlung, ja, aber ohne Auftrag. Es sind Gestaltwandler. Für etwa drei Stunden verleihen sie das Äußere und das Wesen des Tieres, das sie darstellen.“
Isabell dachte an den erschreckenden Augenblick der Verwandlung, ihre Versuche, auf vier Beinen zu laufen, an das rinnende Blut… an die mühelose Kraft, die hinter ihrem Hieb gesessen hatte. Die Schärfe und Klarheit, mit der sie in der halbdunklen Küche alles gesehen hatte.
„Und Sie? Würden Sie den Dashân essen?“
Meleon nickte.
Dann würde er sich also in die geschmeidige, dunkelbraune Katze verwandeln, als die sie ihn gesehen hatte, ehe er für Tage verschwunden war.
Die Vorstellung faszinierte und erschreckte sie.
„Na, schön“, sagte Meleon. „Ich sehe schon, dass ich Ihrer Entschlossenheit ein winziges Bisschen nachhelfen muss.“ Er nahm den Dashân von seinem Platz auf dem lichtblauen Samt, stellte den Kasten auf den Tisch und brach das Schokoladentier in zwei Teile. „Ich werde also nun vollendete Schokolade genießen. Unfehlbar wird dann innerhalb von drei Minuten die Verwandlung eintreten. Was Sie tun, ist allein Ihre Entscheidung. Bis ich wieder zwei Gestaltwandler schaffen kann, vergehen in jedem Fall fast drei Monate.“
Er führte die eine Hälfte seiner dunklen Schokoladenkatze unter ihrer Nase vorbei. Scharf und süß stiegen die Aromen auf. Unwillkürlich leckte sie sich die Lippen. Dann biss er ein Stück Dashân ab. Es gab ein leises Knacken, als der Überzug brach.
Nachdem er die Schokolade gegessen hatte,
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