Meleons magische Schokoladen
bisher keine Unterhaltung aufgekommen war. Er verneigte sich vor Dr. Fechter.
„Florindel, wenn´s genehm ist“, sagte er. „Habe die Ehre!“
„Ganz meinerseits“, beteuerte Dr. Fechter.
Florindel schlug dem ersten Gast kameradschaftlich auf die Schulter.
„Na, altes Haus!“, sagte er. „Du wirkst, als sei dir speiübel. Ganz, wie ich dich in Erinnerung hatte.“
Er erntete einen herablassenden Blick.
„Und du gefällst dir immer noch in der Rolle des jungen Herumtreibers. Ich gestehe, dass sie dir wie auf den Leib geschrieben scheint.“
Dr. Fechter zeigte sich ein wenig befremdet von dieser Konversation, doch ehe er eine höfliche Bemerkung gefunden hatte, die beiden Seiten gerecht geworden wäre, kam Meleon. Er war in dunkelbraune Gewänder mit Goldbesatz gekleidet, trug eine glänzende Kappe und verneigte sich tief vor den Besuchern.
„Da seid Ihr ja“, sagte der Ältere mit dem steifen Kragen. „Zu spät, wie ich anmerken muss.“
„Hört nicht auf ihn“, sagte Florindel. „Welch ein Glück, Euch unversehrt vorzufinden. Es gingen schon die schlimmsten Gerüchte.“
Meleon verneigte sich erneut.
„Ich bin froh, Eure Hoheiten bei bester Gesundheit und unverändert anzutreffen. Hat man sich schon miteinander bekannt gemacht? Nein? Dann darf ich vorstellen: Dr. Fechter und seine Gattin, sowie deren Tochter und meine künftige Gattin, Isabell Fechter. – Isabell: Seine königliche Hoheit Prinz Finyon und sein Bruder, Prinz Florindel, die beiden verbliebenen Söhne Seiner Majestät, des Königs.“
„Die verbliebenen?“, fragte Isabell, obwohl sie eigentlich gegen ihre Nennung als künftige Gattin protestieren wollte.
„Seine Majestät hatte sieben Kinder“, sagte Meleon. „Nur drei von ihnen haben den Umsturz überlebt. Prinzessin Meyande ist noch zu jung, um einem Treffen wie diesem beizuwohnen.“
„Gerede, nichts als Gerede, wie wir es von Euch gewohnt sind“, sagte Prinz Finyon. „Setzen wir uns endlich zu Tisch! Die Reise war strapaziös und die Eingeborenen auf der gesamten Strecke unverschämt und wenig anstellig.“
Florindel fasste Isabells Hand.
„Darf ich Euch zu Eurer Verlobung beglückwünschen? Meleon hat zwar seine schwierigen Seiten, aber es ist unzweifelhaft nützlich, einen Magier zu heiraten. Man spart sich so viel Arbeit im Haushalt!“
Isabell lachte.
Das schien Prinz Florindel auch beabsichtigt zu haben. Er grinste.
„In dieser Welt wird zu wenig gelacht“, sagte er. „Übrigens auch in jeder anderen. Die Leute sind sauertöpfisch und viel zu ernst, egal, wo man hinkommt. Im Reich der Toten ist noch Zeit genug, Trübsal zu blasen. Im Leben will ich Freude, gutes Essen, die üblichen Vergnügungen und dazu einige der weniger üblichen, um es nicht langweilig werden zu lassen.“
„Es tut mir leid, er ist so“, sagte Meleon. „Das Nesthäkchen.“
Prinz Florindel zwinkerte.
„So ist es. Ich mag diesen Ausdruck. Mein Bruder hingegen ist der Älteste von allen Geschwistern und kommt ganz nach dem Herrn Papa. Ein Langeweiler, Despot, Bürokrat und von nur mittelmäßiger Begabung.“
„Sinfrandelî!“, sagte Prinz Finyon böse und der Jüngere verstummte für wenige Augenblicke. Dann überschüttete er Isabell mit einem Schwall Anekdoten aus seiner Wanderzeit quer durch Süddeutschland, bis Meleon die Augenbrauen hob und sagte: „Verschont meine künftige Gattin mit Euren Geschichten, seid so gütig, Hoheit. Sie hat eine äußerst gediegene Erziehung genossen und vermag mit derlei Eskapaden nichts anzufangen.“
„Oh, schade“, sagte Prinz Florindel und widmete sich mit mehr Aufmerksamkeit dem ausgezeichneten Essen.
Nach der Mahlzeit zogen sich die Gäste auf die eilends zurechtgemachten Zimmer zurück und Meleon sagte zu Isabell: „Der Umgang mit Hoheiten war niemals leicht. Seit dem Umsturz sind beide noch sonderlicher geworden. Man weiß nicht, welchen man lieber als Nachfolger ihres Vaters sehen möchte. Ich persönlich zöge es vor, Prinzessin Meyande würde Teliyas auf den Thron folgen, doch die Prinzen haben ihren Vater bisher davon überzeugen können, das Erbrecht nicht auf die weibliche Linie auszudehnen.“
„Nun, es geht wohl ohnehin nur um eine Exilregierung, nicht wahr?“
„Es scheint nicht unbedingt ratsam, Regierungen mit weniger Befähigten zu besetzen, wenn die Zeiten schwierig sind“, sagte Meleon. Er seufzte. „Genießen wir ein wenig der Ruhe. Wenn beide ausgeschlafen sind, muss ich sie mit den aktuellen
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