Meleons magische Schokoladen
solche Köstlichkeiten wohl selbst schaffen müssen!“
„Mir und dir“, erwiderte er friedlich und unter seiner Hand öffnete sich der Schrank, damit er die Kupferschüssel heraus nehmen konnte.
Isabell hätte ihn am liebsten geohrfeigt, als er in aller Seelenruhe Eiweiß über dem Wasserbad aufschlug, nicht um Baiser zu machen – nein – sondern um seine heiße Schokolade damit zu krönen!
Es kostete ihn all seine Überredungsgabe, damit sie sich wenige Minuten lang zu ihm setzte, um mit ihm zu essen.
„Eines musst du noch lernen“, sagte er. „Nur Ruhe bringt große Ergebnisse hervor. Presst du deine Kräfte zu sehr aus, wirst du bald keine begnadeten Schokoladen mehr machen, sondern wertloses Zeug, wie es allerorten verkauft wird. Außerdem ist es nicht klug, immer alles anzubieten. Das Geheimnis des Erfolges liegt in der Verknappung der Leckereien. Was du nur zu bestimmten Zeiten anfertigst, das weckt Begehren, solange es nicht erhältlich ist. Und schon fast vollkommen leer geräumte Tabletts lassen die Kundschaft nicht weniger, sondern mehr verlangen.“
„Das mag sein“, erwiderte Isabell und stand auf, um den fertigen Biskuit aus dem Ofen zu nehmen.
Meleon löffelte seine Tasse aus und spülte das Geschirr, um Isabell dann bei ihrem fieberhaften Tun zuzusehen.
„Meleon“, sagte sie böse. „Hilf mir!“
„Nein. Ich würde dich nur das Falsche lehren.“
Den Rest des Tages beschäftigte sie sich damit, es den Kunden recht zu machen, während Meleon mit Seiner Majestät über schier unendlichen Partien Jabon saß, einem Spiel, das mit achtzehn goldenen und silbernen Plättchen gespielt wurde, wie er Isabell erklärt hatte, ehe er nach oben gegangen war. Und nun kam er gar nicht mehr, um nach dem Geschäft zu sehen!
Isabell haderte insgeheim mit ihm, während sie sich vor Erschöpfung kaum noch darauf besinnen konnte, was sie gerade eben in das nächste Tütchen füllen wollte. Ihre Füße kamen sich in den Schuhen eingezwängt vor. Als endlich, endlich der Laden geschlossen werden konnte, schleppte sie sich in die Küche, sank dort auf einen Stuhl und bettete den Kopf auf die gefalteten Hände.
So fand sie Meleon, als er nach zwanzig gewonnenen Spielen nach unten kam.
Er weckte sie, zwang ihr eine Tasse Kaffee auf, machte ihr ein Weinsüppchen und befahl den Schränken und Schubladen, sich vor dem nächsten Morgen nicht mehr zu öffnen.
„Hast du nun begriffen, dass es eines Halbgottes bedürfte, um die Aufgaben zu erledigen, die du dir abverlangst?“
„Du hilfst mir ja nicht“, sagte sie, weinerlich vor Müdigkeit.
„Nein. Und das aus gutem Grund. Du musst lernen, deine Kräfte zu schonen. Sonst wirst du früh alt und hager und dein Leben ist vorbei, ehe du dich recht besonnen hast.“
„Du sagst doch, die Schokolade verlange Aufopferung“, wehrte sie sich.
Meleon küsste sie auf den Scheitel.
„Du hast mich nicht verstanden. Blinde Opfer bringen keinen Segen. Alles mit Gemach und vor allem mit Freude! Keine Hetzerei, kein hierhin und dorthin. Wie willst du so neue Köstlichkeiten erschaffen?“
„Aber wie dann?“, schrie Isabell. „Sag mir das!“
Meleon schnalzte.
„Du weckst ja unseren allergnädigsten Herrscher.“
„Das ist mir ganz gleich. Ich will wissen, wie ich mit Vergnügen Schokoladen machen kann, wenn dort draußen Leute darauf warten, bedient zu werden, Tabletts gefüllt werden müssen und nicht einmal Muße bleibt, den Boden zu wischen bei diesem feuchten Wetter, bei dem jeder nasses Laub in den Laden trägt!“
Meleon lachte.
Isabell fand nicht die Kraft, ihn zu ohrfeigen. Sie entzog ihm nicht einmal ihre Hände, als er danach griff.
„Wir finden eine neue Ladenhilfe für dich“, sagte er. „Aber erst, wenn du verstanden hast, was ich dir beizubringen versuche. Deine Aufgabe ist nicht das Geschäft. Deine Aufgabe ist es nicht, zu erfüllen, was andere von dir fordern. Deine Aufgabe – die du auf dich genommen hast – besteht darin, mithilfe der Schokolade Herzen zu erheben!“
„Aha“, sagte Isabell matt.
Aber sie ahnte, dass er Recht hatte.
Wieder einmal brachte er sie nach Hause und wieder hatten ihre Eltern nichts weiter zu bemerken, als dass es sehr freundlich von ihm sei, solche Mühe auf sich zu nehmen.
Isabell lag schon bald in tiefem Schlaf.
Meleon hingegen saß noch lange mit Dr. Fechter zusammen und erzählte von Halaîn, den weiten Wiesen, den Schafschwälbchen, die in Schwärmen über dem königlichen Schloss
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