Meleons magische Schokoladen
zuschlägt.“
Isabell konnte kaum noch mit Meleon Schritt halten. Er schien es immer eiliger zu haben, je näher sie dem Laden kamen. Wahrscheinlich beschäftigte ihn doch, wie es Niklas ging.
„Die Adventsverlosung…“, keuchte sie. „Was hat es damit auf sich? Hast du sie eigens geplant, um einigen Leuten bestimmte Pralinen zukommen zu lassen? Da war die alte Frau Weick…“
Meleon grinste.
„Zauber der Schokolade. Groß und wunderbar ist dieses Gewächs und wunderbar ist die Vanille, die selbst eine eigenartige Wirkung auf die Menschen auszuüben vermag. Ja, natürlich habe ich diese Verlosung genau geplant. Doch habe ich auch genügend Spielraum für Unvorhergesehenes gelassen. Manchmal sucht sich eine einzigartige Praline denjenigen selbst, der sie kosten soll. Und die zwei kostbarsten Präsente bestehen aus nur je einer einzigen Praline. Wer wüsste schon, in wessen Mund sie wandern wird?“
„Was bewirken sie?“, fragte Isabell atemlos, die nun schon beinahe rennen musste, um mit Meleon auf einer Höhe zu bleiben.
„Das wirst du dann herausfinden“, sagte er und lachte über ihre enttäuschte Miene. „Letztlich wird es selbst für mich eine Überraschung. Beides waren Schöpfungen, die sich spontan eingestellt haben, und die ich nicht in mein Repertoire aufzunehmen gedenke. Die eine vereint Weihnachtsspezereien mit Birnengeist in einer weißen Creme. Die andere besitzt eine hauchdünne Umhüllung aus dunkler Schokolade und enthält eine Canache, die mit Safran parfümiert ist. Safran ist äußerst subtil. Man weiß nicht, was er mit der Person machen wird, die diese Praline des Heiligen Abends für sich beanspruchen darf. Dunkel wie König Balthasar und gelb wie der Damast, den er vor dem Kind in der Wiege ausbreitete. Manche sagen auch, es war Gold, was er dem Knaben brachte. Oder Weihrauch. Kostbares in jedem Fall. Und so kostbar ist auch diese Praline.“ Meleon hielt Isabell die Tür auf, in der nun kein Glas mehr war. „So, und da wären wir also!“
Der Laden war dunkel. Es roch nach erkaltetem Ruß. Überall hatte das Feuer seine Spuren hinterlassen. Die wenigen verbliebenen Waren nahmen sich verloren aus. Isabell betrachtete traurig die Überreste der Adventsdekorationen. Meleon legte ihr den Arm um die Schulter.
„Wir werden uns einen neuen und schöneren Laden einrichten. Das wäre ein schönes Weihnachtsgeschenk für dich. Was meinst du? Ein Schokoladengeschäft nur für dich. Wie wäre das?“
„Für mich? Und du?“
„Ich komme nur an Freitagen, musterte kritisch, was du den Kunden anbietest, probiere wohl das eine oder andere Stück…“
Über ihnen, in Meleons Schlafzimmer, fiel etwas Schweres um. Ein gedämpfter Schrei kam von oben. Dann war Stimmengewirr über ihnen, Leute liefen umher.
„Oh, nicht doch!“, sagte Meleon.
Er zog Isabell an der Hand mit sich zur Treppe.
In Meleons Schlafzimmer drängten sich die aufgeregten Mitglieder des Kabinetts um das Bett. Dort lag der kahlköpfige Minister, bläulich angelaufen und nach Atem ringend.
Der König saß in eine Decke gehüllt auf dem thronähnlichen Stuhl und schien trotz des Aufruhrs vor sich hin zu dösen.
Meleon suchte noch einmal in seiner Truhe nach Pralinen, die vielleicht helfen würden, doch der Minister atmete immer angestrengter. Seine Gesichtsfarbe veränderte sich alarmierend Richtung Violett. Isabell griff nach seiner Hand, und da er offensichtlich angestrengt versuchte, etwas zu sagen, beugte sie sich vor und brachte ihr Ohr ganz dicht an seine dunkel verfärbten Lippen.
Die anderen Minister und Florindel bemühten sich unterdessen, einander zu überschreien. Isabell lehnte sich noch mehr vor. Sie meinte, den Namen Rochas zu verstehen, doch sicher war sie nicht.
„Rochas?“, fragte sie. „Sagten Sie Rochas?“
Doch er antwortete nicht. Das krampfhafte Atmen ging in ein Röcheln über. Meleon führte besorgt die Hand über den Körper, runzelte die Stirn und schüttelte dann den Kopf.
Schlagartig wurde es still. Jeder mied den Blick des anderen.
Dann räusperte sich der König.
„Ist er tot?“, fragte er mit brüchiger Stimme.
„Tot“, bestätigte Meleon. „Und nun wird mir einer – und nur einer – erzählen, was genau sich zugetragen hat!“
„Nun“, begann Florindel. „Wir saßen beisammen und Lord Thosa öffnete die Flasche Wein, die ihm Lord Rochas zu seinem dreißigjährigen Amtsjubiläum geschenkt hatte. Er goss sich einen Schluck ein, um zu kosten, ob der Wein
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