Meleons magische Schokoladen
arme Bevölkerung hätte versorgen können. Und du, Florindel…“
Meleon hob die Hand.
„Verzeiht, Majestät, aber das wollen wir später besprechen. Jetzt ist es dringlicher, die Verteidigung zu planen, denn der Feind wird spätestens morgen früh vor unseren Toren stehen.“
„Das ist wahr“, sagte der König. „Fahrt fort, ich bitte Euch, Lord Meleon!“
Nach einer dreistündigen Beratung war man sich schließlich einig, Miliz auszuheben, die Stadttürme mit den wenigen guten Schützen zu besetzen, die Hilligenhain aufzubieten hatte, und das Rathaus als Rückzugsort für Frauen und Kinder zu öffnen. Meleon würde die Verteidiger auf der Stadtmauer und den Türmen mithilfe von dreizehn magischen Tauben über alle Vorkommnisse unterrichten. Dazu wurden halbwüchsige Knaben ausersehen, die je eine Taube aus weißer Schokolade mit einer Füllung aus Sahne und Trester zu Sekoy machen würde: pfeilschnell, von unten her an einem blauen Himmel schwer auszumachen und mit menschlicher Sprache begabt.
„Wie wundersame Mittel des Kampfes Sie anzuwenden wissen“, sagte Dr. Fechter anerkennend, während es Isabell die Kehle zuschnürte, weil sie sich vorstellte, wie ein Schuss aus einem Gewehr die Brustfedern einer solchen Taube rot färben würde…
Sie fühlte sich zittrig und wie vor einer schweren Erkältung – vor Angst, wie sie sich eingestand – denn Meleon wirkte so ernst, wie sie ihn bisher nie gesehen hatte. Manchmal ging sein Blick in die Ferne und hielt nichts fest, dann nahm er sich zusammen und antwortete ausgesucht höflich auf die Vorschläge aus der Runde. Irgendwann stand er dann unvermittelt auf und verneigte sich vor dem König.
„Majestät! Wir werden morgen eine alles entscheidende Schlacht schlagen und siegen oder untergehen. Würde Eure Majestät daher erwägen, Dame Isabell und meine Wenigkeit zu vermählen, wie ich es bereits mehrfach gewagt hatte, anzusprechen?“
Der König lächelte.
„Gewiss, Lord Meleon. Wir wollen das heute Abend in einer kleinen Zeremonie begehen, nach der Tradition unserer schönen Welt gekleidet und mit einem kleinen Festschmaus. Doch vorher möchte ich hinaus in dieses schöne Städtchen und einigen dieser mutigen Bürger persönlich die Hand schütteln, ehe sie alle morgen Blut und Leben einsetzen.“
Der Bürgermeister blinzelte Tränen der Rührung weg.
„Eure Majestät sind zu gütig! Wir alle werden morgen beweisen, dass wir dieses Vertrauen wert sind, nicht war, Dr. Fechter?“
Und Isabells Vater nickte, offenbar genauso ergriffen von der königlichen Huld. Man verabschiedete sich und Isabell fühlte ein warnendes Pochen im Magen, obwohl sie sich doch freuen wollte. Endlich würden sie heiraten! Warum wurde ihr auf einmal übel vor Angst und böser Vorahnung?
Und schon kurz darauf geschah es.
Man ging gemeinsam die Treppe hinab, Meleon allen voran, hinter ihm der Bürgermeister und Dr. Fechter. Rochas nahm noch die Notizen der Besprechung vom Tisch und Isabell sammelte die benutzten Tassen ein. Der König betrat kurz vor seinen beiden Söhnen die Treppe…
Isabell hörte ihn noch einen Laut der Überraschung ausstoßen, dann polterte schon etwas schwer die Treppe hinunter. Der Bürgermeister fluchte. Unten stürzte ein Schemel um.
Isabell ließ das Geschirr im Stich.
Der Bürgermeister befreite sich aus den Resten des Schemels. Meleon war eben dabei, seinem Herrscher eine Hand unter die Wange zu schieben und seinen Kopf zum Licht zu drehen. Blut schimmerte.
Isabell drückte sich an den beiden Prinzen vorbei.
Der König lag in Meleons Armen, die Augen geschlossen und atmete schnaufend.
Dr. Fechter klappte seine kalbslederne Arzttasche auf.
„Wie konnte das passieren?“, fragte Isabell und ihr Herz klopfte heftig in doppeltem Schrecken, weil sich ihre Vorahnung so schnell bewahrheitet hatte.
„Keine Ahnung“, sagten die beiden Prinzen im Chor.
Isabell fuhr zu ihnen herum.
Beide trugen eine Unschuldsmiene zur Schau, die Isabell noch misstrauischer machte.
„Er stolperte“, sagte Prinz Florindel.
„Oder rutschte vielmehr“, korrigierte Prinz Finyon, während er sich selbst an den Handlauf klammerte und seine Stirn mit einem Taschentuch betupfte.
„Es ging so schnell!“, sagte Finyon.
„Es gelang keinem von uns, ihn noch zu halten“, ergänzte Finyon.
Meleon warf beiden nur einen einzigen, kühlen Blick zu und widmete sich dann wieder seinem Herrscher, dessen Blut auf den gestärkten Kragen und die Weste tropfte und
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