Melina und die vergessene Magie
serviert hatte. Es war ein Reisgericht und duftete verführerisch nach exotischen Gewürzen. Zuerst war es fruchtig, als Nächstes brannte es ganz köstlich auf der Zunge. Sie schloss die Augen. »Hmmmm.«
Erel strahlte. »Freut mich, dass euch mein Suly Ché schmeckt. Leider kann ich es nur zaubern, nicht selbst zubereiten. Ihr solltet erst das von meiner Oma probieren.«
Melina sah ihn erstaunt an. »Du hast eine Oma?«
Erel lachte und musterte sie so intensiv, dass Melina den Blick abwenden musste. Er irritierte sie, und das hatte er von Anfang an getan. Warum nur? Nun, die Frage war vermutlich leicht zu beantworten: Er sah viel zu gut aus und war fröhlich und selbstbewusst. In ihrer alten Welt hätte er die graue Maus Melina sicher nicht beachtet. Aber war sie hier so anders? Würde er sie nicht bald langweilig finden?
Nach dem Essen stand Erel auf und stellte sich bis zu den Knien in den nahe gelegenen Bach. Während er mit den Händen Wasser schöpfte, schien es, als redete er mit den Tropfen, die durch seine Finger rannen. Und auf einmal rannen sie nicht mehr, sondern schmiegten sich in seine Hand, um dort zu erstarren. Je mehr Wasser Erel schöpfte, desto klarer bildete es eine Form: eine Kugel aus Eis. Als die erste Kugel fertig war, legte er sie in einen schwarzen Beutel und hängte ihn an seinen Gürtel. Dann begann er wieder von vorn.
»Seit wann weißt du, dass ich ein Zauberer bin?«, fragte er Melina plötzlich, ohne aufzublicken.
»Erst seit du uns aus den Käfigen befreit hast«, erwiderte Melina.
Überrascht hielt er inne. »Du hast mir doch von Anfang an nicht getraut. Wofür hast du mich denn vorher gehalten?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Für einen Dieb. Einen Spion der Feuerzauberer. Einen Sklavenhändler. Oder …«
Erels Augen blitzten. »In der Reihenfolge?« Melina stellte erstaunt fest, dass er nicht sauer war. Er musste sich wohl eher das Lachen verkneifen.
»In dem Wirtshaus warst du verdächtig neugierig. Du wolltest unbedingt mit uns reisen, hast aber von dir nichts erzählt«, verteidigte sich Melina. »Wer bist du wirklich?«
Tann hatte die Ohren gespitzt und war zu ihnen gekommen. Erel hatte inzwischen zehn Beutel am Gürtel. Er stieg aus dem Wasser und setzte sich seinen Weggefährten gegenüber ins Gras.
»Ich war ein Zauberlehrling, genau wie du, Tann. Eigentlich bin ich es noch. Meine Lehre bei meinem Vater Danej war gerade abgeschlossen. Wenn er mir sein Siegel gegeben hätte, dürfte ich mich jetzt Zauberer nennen. Alles war vorbereitet für das große Fest, aber an jenem Morgen kamen zwei Boten vom Eispalast. Alle Zauberer sollten zum König kommen. Sie wussten nichts von mir, und mein Vater beließ sie in ihrem Irrtum. Ich glaube, er war einfach froh, dass jemand auf das Haus und das Dorf aufpassen konnte. Das war mein Glück! Und doch wünschte ich, ich wäre mit ihm gegangen.«
Seine Stimme klang nun nicht mehr so sicher wie sonst, und seine Finger hatten sich fest um ein paar Grashalme geschlossen.
»Glaubst du denn, dass ihm etwas zugestoßen ist?«, fragte Tann.
Erel rupfte wütend das Büschel Gras aus der Erde, und Melina glaubte zu sehen, dass er ein paar Tränen wegblinzelte.
»Ich bin sogar ganz sicher. Sei nicht naiv, Tann! Die Feuerzauberer breiten sich im ganzen Land aus und alle Eiszauberer wurden in den Palast gerufen.«
»Vielleicht beraten sie mit König Yanobis, was sie tun können?«
Erel senkte traurig den Kopf. »Bis gestern Nacht war das auch meine Hoffnung. Von Aryk weiß ich jedoch, dass alle Eiszauberer Gefangene dieser Morzena sind. Im Turm des Feuers.«
Tann stieß die Luft aus den Lungen.
»Was hast du getan, als dein Vater gegangen war?«, fragte Melina.
»Ich ging in unser Dorf, um die Feier abzusagen, aber es war verlassen – bis auf eine alte Frau, die sich versteckt hatte. Sie erzählte mir, dass ein Feuerzauberer alle mitgenommen hatte, um sie als Sklaven in einer Feuerhütte arbeiten zu lassen. Um etwas unternehmen zu können, musste ich mehr herausfinden, also zog ich als fahrender Sänger durch die Dörfer. So erfuhr ich eine Menge und wirkte immer harmlos. Jetzt, da ich weiß, wo die Eiszauberer sind, ist es allerdings an der Zeit für Taten. Und ich könnte Hilfe gebrauchen.«
»Gibt es denn jemanden, der dir helfen kann?«, fragte Melina.
Als sie Erels ernstem Blick begegnete, ahnte sie schon, was er sagen würde. »Niemanden außer euch.«
»Aber
wie?
«, rief Tann verzweifelt aus. »Es sind so viele! Und
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