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Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition)

Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition)

Titel: Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Lüer
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hatte, brach auch ich in Tränen aus. Ich erinnerte mich an Miras Worte, die sie in ferner Vergangenheit aufgeschrieben hatte: „ Melissa, wenn der schwarze Hahn in das Lindenhaus kommt, folgen dunkle Zeiten für euch.“ Bitte nicht. Herr, lass diese dunklen Zeiten an uns vorüberziehen, bitte, betete ich still. Schweigend warteten wir auf das Eintreffen der Polizei.
     
     
Mirandas Geständnis
     
    Am späten Abend saßen wir alle im Wohnzimmer. Mutter war im Korbsessel eingedöst. Die Ruhe nutzten wir, um mit Miri über die Nacht zu sprechen, die sie damals außer Haus verbracht hatte.
    „ Hör zu, Miranda“, sagte Robert mit tiefem Ernst. „Du musst uns jetzt alles sagen. Wo bist du damals gewesen, und noch wichtiger: mit wem? Da besteht doch sicher ein Zusammenhang. Irgendwie ist von dem Tag an alles immer schlimmer geworden. Was ist passiert? Du kannst ganz offen sein. Egal, was war, wir halten zu dir.“
    Sie zog ihre Beine an, umschlang sie mit ihren zarten Armen und sah so zerbrechlich aus, dass es mir die Luft abschnürte. Mit leiser Stimme begann sie zu erzählen.
    „ Ich war mit Beata und den anderen auf dem Kappelberg. Dort treffen wir uns meistens, oberhalb des Waldschlösschens. An diesem Abend sind noch andere dazugekommen. Typen, die ich nicht kannte. Einer davon ist ein Freund von Beata. Sie haben Alkohol getrunken. Bevor die kamen, war es ganz nett gewesen. Wir haben einfach nur gechillt und Tommi hat vorgelesen, er schreibt viel. Texte über Trauer und Sehnsucht und Ungerechtigkeit. Ich habe übrigens keinen Tropfen Alkohol angerührt, falls ihr euch das fragt. Beata mischt nämlich irgend so ein Zeug rein, dass sie high macht. Ihr Macker und seine Kumpels waren total bescheuert. Ich glaub, die waren schon mega-high, als sie zu uns stießen. Einer von ihnen hatte ein Messer und einen Hahn dabei. Er wollte ihn so zum Spaß vor unseren Augen abschlachten! Das konnte ich nicht zulassen. Ich habe ihm eins über den Schädel gezogen und ihn in die Eier getreten. Jaaa, guck nicht so entsetzt, Mama! Der hatte das verdient. Ich habe mir den armen Hahn geschnappt und bin abgehauen. Bin den Weg berab gelaufen, bis ich die Kerle nicht mehr hören konnte. Und dann bin ich den ganzen Weg nach Hause gegangen, durch die ganze Nacht hindurch und habe den Hahn getragen. Zwischendurch habe ich mich auch mal verlaufen, weil es schon so dunkel war. Naja, ich muss zugeben, dass ich dich angelogen habe, als ich sagte, ich hätte den Hahn hier auf der Straße vorm Haus gefunden. Aber wie hätte ich dir das auch erklären sollen?“
    Ich tauschte einen langen Blick mit meinem Mann aus. Mutter schnarchte lautstark. Ich war froh, dass sie hiervon nichts mitbekommen hatte. Das Erscheinen der Polizeibeamten, die die Anzeige gegen Unbekannt aufnahmen und Fotos vom Tatort gemacht hatten, war für sie zu viel gewesen.
    „ Miranda, sag, warum hast du am Nachmittag den Polizeibeamten gar nichts davon gesagt?“, wollte ich wissen. „Diese schreckliche Untat am Kaninchenstall geht doch sicher auf diese Leute zurück?“
    „ Bist du nicht ganz bei Trost? Die hätten mich doch rangekriegt wegen Körperverletzung!“
    Da wurde Robert wütend. „Sprich nicht so mit deiner Mutter! Du hast uns seit vielen Monaten nur noch Kummer gemacht. Das hat jetzt ein Ende. Ich dulde keinerlei Frechheiten mehr. Aber ich bin froh, dass du uns jetzt endlich erzählt hast, was in der Nacht passiert ist. Wir haben uns große Sorgen um dich gemacht, sehr große Sorgen. Miri, schau, du bist doch wirklich alt genug, um zu verstehen, dass es Grenzen gibt, geben muss. Du kannst nicht einfach machen was du willst. Wir versuchen wirklich, dich zu verstehen. Aber du musst auch mit uns weiterhin ehrlich sein, sonst können wir dir nicht helfen. Ich muss sagen, ich bin auch erschrocken, dass du einfach so auf einen Mann losgehst. Er hätte dich schwer verletzen können, auch wenn er high war. Gerade dann! Der hat doch keine Hemmungen mehr. Dass du solch ein Risiko eingehst, nur wegen eines Tieres!“
    „ Papa hat völlig Recht, Miri“, schaltete ich mich ein. „Das ist das Tier doch gar nicht wert, dass du dein Leben riskierst.“
    Oh, da hatten wir das Falsche gesagt. Miranda schnauzte uns an, dass Tiere genauso wertvoll seien wie Menschen, wenn nicht sogar besser, und rannte dann die Treppe hoch und schlug ihre Zimmertür hinter sich zu. Wumm.
    Mutter wurde wach. Sie blickte um sich und sagte: „Ich habe eine Tür gehört. Ist Benito nach Hause

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