Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition)

Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition)

Titel: Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Lüer
Vom Netzwerk:
Babyfotos vor meinem geistigen Auge. Robert hielt darauf nach der Entbindung Miri zärtlich im Arm. Er hatte mein kleiner Rabe geflüstert und sie zärtlich auf die Stirn geküsst . Am nächsten Tag waren wir alle etwas blass um die Nase, auch Mutter. Ich ließ sie in der Küche mithelfen, um sie stets vor Augen zu haben. Miri kümmerte sich um den Berg Wäsche und arbeitete nebenbei noch im Garten. Robert war unterwegs mit dem Gesellen, sie hatten heute gut zu tun und würden erst am späten Abend heimkehren.
    „ Sag mal, Melissa. Meinst du nicht, du solltest öfter mal in deinen Schränken saubermachen? Es riecht im Haus auch überall so streng.“
    Mutter sah mich treuherzig an. Einen Moment lang wusste ich nicht, wie sie es meint. Sollte das etwa ein Scherz sein? Hatte sie das Feuer vergessen? Ich holte tief Luft und sammelte mich.
    „ Mama, hör mal. Ich muss mit dir etwas bereden.“ Ich zog mir einen Stuhl heran und setzte mich zu ihr an den Tisch. Erwartungsvoll schaute sie mich an und ich nahm ihre runzlige Hand in meine und streichelte über den Handrücken, der mit Altersflecken übersät war. „Weißt du, Mama, es ist so: Du hast dich sehr verändert, seit ich dich das letzte Mal auf Sylt besucht hatte. Mir ist das am Telefon in den letzten Monaten auch aufgefallen. Du hast Probleme mit deinem Gedächtnis, nicht wahr?“
    „ Och, nein. Eigentlich nicht. Ich kann nicht mehr so gut laufen wie früher, aber sonst geht es mir gut, mein Kind.“
    „ Mama, da muss ich dir leider widersprechen. Robert und Miri merken es auch. Du vergisst sehr viel und manchmal weißt du auch gar nicht, was du tust. Gestern zum Beispiel hast du das Bügeleisen auf deiner Bluse stehen lassen und das Bügelbrett fing Feuer.“
    „ Was sagst du da? Das kann nicht sein.“ Mutter machte ein ärgerliches Gesicht und zog ihre Hand aus meiner zurück.
    „ Du bist auch schrecklich dünn geworden, Mama. Ich glaube, du isst zuhause nicht regelmäßig und vergisst auch deine Tabletten zu nehmen. Onkel Walther hat mir erzählt, dass zu dir Frauen vom Diakonischen Dienst kommen und dir im Alltag helfen und …“
    Hier unterbrach sie mich und ließ eine Schimpftirade los, die einem Seebären wie Störtebecker zur Ehre gereicht hätte. Meinen Onkel hätte ich wohl besser nicht erwähnt. Meine Beschwichtigungsversuche waren vergeblich und ihre schrille Stimme verursachte mir Kopfschmerzen. Da hörte ich hinterm Haus einen Schrei.
    „ Mama, sei mal ruhig jetzt“ fiel ich ihr barsch ins Wort. „Ich glaube, ich habe draußen einen Schrei gehört! Hast du auch was gehört?“
    Ich stand auf und beachtete Mutter nicht länger. Das war doch hoffentlich nicht meine Miri gewesen? Ich reckte mich zum Küchenfenster raus und sah zu meinem Entsetzen, dass meine Tochter kreidebleich von den Kaninchenställen auf unser Haus zu gerannt kam. Sie stürmte durch die Hintertür und wollte sich in meine Arme werfen, drehte sich aber in Windeseile um und hielt sich die Hand vor den Mund und eilte ins Gäste-Bad. Dann hörte ich auch schon, wie sie sich übergab.
    „ Liebes, was ist mit dir?“ Ich hielt ihr die Haare aus dem Gesicht und streichelte über ihren Rücken. Mein Gott, wie sie zitterte! Als sich ihr Magen beruhigt hatte, spülte sie sich den Mund aus und schmiegte sich dann an mich und klammerte sich fest. Ihre Hände waren eiskalt, trotz der Sommerwärme. „Miri, was ist denn nur“, fragte ich ängstlich. So hatte ich meine Tochter noch nie erlebt. Mutter kam zu uns und betrachtete ihre Enkelin verstört. „Ist was passiert mit ihr?“
    Mit zitternder Stimme flüsterte Miri, die offensichtlich unter Schock stand, dass wir mit ihr nach draußen zu den Ställen kommen sollen. Als wir uns näherten, fiel mir der summende Fliegenschwarm zuerst auf. Und dann sah ich es. Jemand hatte an die Rückseite des Kaninchenverschlages einen abgerissenen, blutverschmierten Flügel genagelt. Das Gefieder war tiefschwarz und schimmerte grünlich. Oh mein Gott. Das sah ja genauso aus wie der Hahn, den Miri angeblich hier vorm Haus gefunden hatte. Doch das war noch nicht alles. Das Wildkaninchen, welches Miri seit zwei Wochen hingebungsvoll pflegte, lag mit durchschnittener Kehle tot im Stall. Wer hatte das nur getan? Und, warum?
    Ich führte mein weinendes Kind und meine schockierte Mutter ins Haus zurück und schloss die Tür hinter uns ab. Dann rief ich die Polizei und brühte anschließend einen beruhigenden Tee für uns auf. Als ich das alles erledigt

Weitere Kostenlose Bücher