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Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition)

Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition)

Titel: Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Lüer
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Bescheid über Demenz. Da kommt noch ganz schön was auf uns zu.“
    Ich wrang den Lappen aus und kippte das schwarze Wasser in den Ausguss. Morgen würde ich alles Geschirr aus den Schränken holen müssen und durch den Geschirrspüler schicken. Und den Berg Wäsche nochmal waschen. Wer weiß, ob der Brandgeruch sich überhaupt auswaschen ließ? Ich war so müde, so entsetzt, dass mir nun doch wieder die Tränen die Wangen runterliefen.
    „ Mama? Sei nicht traurig, wir sind doch alle heil geblieben. Oma hat es doch nicht so gemeint. Und ich helfe dir bei der Arbeit.“
    Schluchzend nahm ich mein Mädchen in den Arm und drückte sie ganz fest an mich. Meine Stimme versagte. Ich konnte keine Worte über die Lippen bringen, doch wir sprachen innerlich von Herz zu Herz. Robert umfasste uns beide mit seinen langen, starken Armen und gab uns Halt, bis unser Atem sich beruhigte.
    „ Kommt, meine Mädchen. Zeit, schlafen zu gehen. Wir sind alle übermüdet. Die Küche wird ab sofort abgeschlossen, wenn niemand von uns darinnen ist. Und die Haustüren werden auch gesichert. Und ich werde die Tage zum Baumarkt fahren und ein Treppenschutzgitter kaufen, falls Johanna auf die Idee kommt, des Nachts im Haus herumzulaufen. Das fehlte uns noch, dass sie stürzt.“
    Später, als alle in tiefem Schlaf lagen, verließ ich mein Bett. Ich konnte einfach nicht einschlafen. Zu viele Gedanken und Schreckensbilder spukten in meinem Kopf herum. Langsam schlich ich die knarrende alte Treppe runter und kuschelte mich in den Korbsessel. Im Schein der Stehlampe ließ ich meine Finger durch die Wasserschale mit den Blüten gleiten. Miri musste sie wohl erneuert haben, ich selber hatte schon seit Tagen nicht mehr daran gedacht. Mein Blick blieb irgendwann an den Amethysten hängen. Mira kam mir in den Sinn. Es war, als wollten die schimmernden Steine mir etwas sagen. Um mich zu beschäftigen, öffnete ich die untere Schublade und holte das Fotoalbum mit den Babybildern hervor. Seite für Seite blätterte ich durch und versetzte mich gedanklich in die Vergangenheit. Ach, war das damals schön gewesen. So süß, die beiden Mädels, so herzig. Anstrengend war es auch, keine Frage. Auf so manchem Bild hatte ich fettige Haare und Schatten unter den Augen, aber immer ein lachendes Gesicht. Als ich das Album näher ans Licht hielt, weil ich eine Einzelheit auf einem Foto genauer betrachten wollte, fiel ein Briefumschlag raus, mir direkt in den Schoß.
    Miras Handschrift! Ja, ich erinnerte mich. Der Brief war Teil des Erbes gewesen, welches an mich fiel. Auf dem Umschlag stand: Ö ffnen am dunkelsten deiner Tage im Jahre 2012. Ich hatte ihn ganz vergessen. Warum ich ihn wohl zu den Babyfotos gelegt hatte? Oder war er nur aus Versehen hier rein geraten? Ich wusste es nicht. War dies mein dunkelster Tag? Das Jahr war erst zur Hälfte vergangen, vielleicht würde ein noch dunklerer kommen? Ach egal, dachte ich, viel schlimmer als heute kann es doch wohl hoffentlich nicht werden. Fast wäre uns das Haus über dem Kopf abgebrannt! Und der Ruß war doch wohl ein perfektes Sinnbild für Dunkelheit. Ich öffnete also den versiegelten Brief und hielt ihn unter die Lampe.
    „ Melissa, wenn der schwarze Hahn in das Lindenhaus kommt, folgen dunkle Zeiten für euch. Ich sah dich in der Vision weinend, blass und erschöpft. Ein junger Rabe rief um Hilfe. Dann sah ich Berge, hoch und kalt. Ein eisiger Wind wehte dort. Die Herde zog ziellos umher. Von dort mag Hilfe kommen, aber der ältere Rabe muss unbedingt auf den Drachen hören. Sonst ist alles verloren.“
    Ich starrte auf die Zeilen, als könnte ich so noch mehr an Information herausziehen. Das konnte doch nicht alles sein, was Mira mir zu sagen hatte? Was sollte ich damit anfangen? Um Himmels Willen, Mira, musstest du dich so kryptisch ausdrücken? Ein junger Rabe ruft um Hilfe… Noch ein Pflegetier für Miri? War mit den kalten Bergen der Schwarzwald gemeint oder die Schwäbische Alb? Was für Herden zogen denn dort frei herum? Kühe vielleicht. Oder doch Rehe? Und noch ein Rabe, älter, und er soll auf einen Drachen hören? Nun, damit konnte ich nichts anfangen. Wer weiß, wie es um Miras Geist gestanden hatte, als sie diese Vision niederschrieb. Sie war hochbetagt gewesen, als sie das Zeitliche segnete. Andererseits - wie Mutter war sie nicht gewesen.
    Ernüchtert und enttäuscht legte ich das Blatt Papier auf den kleinen Tisch und ging ins Bett. Während ich langsam in den Schlaf glitt, sah ich eins der

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