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Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
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Schritt oder ein belebendes Wort ihn geleitete. Von meiner Jugend an bis auf den heutigen Tag habe ich darunter gestöhnt, und siehe, nun naht sich die Zeit meiner Befreiung, oh ja, und soll sich alsbald an mir erfüllet haben.
    Es war noch in den Tagen meiner Kindheit, daß ein Gerücht an mein Ohr, sogar an das meine, gedrungen war, von einem Wesen, so da ausgesandt sei über die Erde, zu versuchen Jüden wie Nazarener, ja sogar die Anhänger jenes Mahomet, dessen Name im Munde unseres Volkes verflucht ist, sie zu versuchen mit dem Angebote der Befreiung von dem ärgsten Übel und der äußersten Not, sobald sie nur eine Bedingung erfülleten, welche auszusprechen diese meine Lippen nicht wagen, ob schon ihre Worte von keinem Ohr vernommen würden denn dem deinen. Dich schaudert’s – wohlan, so bist du denn aufrichtig noch in der Treue zu deinem Irrglauben. – Ich aber lauschte auf jene Erzählung, und meine Ohren tranken in sich deren Worte, wie des Verdurstenden Seele die Wasser der Flüsse in sich einschlürfen mag. Denn mein Sinn war erfüllet von den eitlen Wahngebilden all der heidnischen Fabeln, und so lechzte ich in der Verderbtheit meines Geistes danach, dem Bösen in all seiner Stärke, ja wohl, zu begegnen, mit ihm zu paktieren, ja wohl, und meinen Handel mit ihm abzuschließen. Wie unsere Vorväter in der Wüste verachtete ich das Brot des Himmels, und es gelüstete mich nach dem verbotenen Fleische, ja selbst nach jenem der ägyptischen Zauberpriester.
    Nachdem ich in mein Heimatland zurückgekehrt – nach Spanien also, dieweil man ja von einem Jüden kaum sagen kann, er habe eine Heimat –, saß ich nieder auf diesem Sitze, nahm im Lichte dieser Lampe eines Schreibers Schreibfeder zur Hand und verschwor mich mit einem Schwur, daß dies Licht nimmer verlöschen, dieser Lehnsessel nimmer verlassen sein, und dies Gewölbe nie seines Bewohners entraten solle, bis daß nicht niedergelegt wäre der Bericht in einem Buche, und gesiegelt wie mit dem Siegel des Königs. Doch siehe, aufgespürt ward ich von jenen, deren Witterung scharf und deren Fuß behende ist, aufgespürt von des Dominikus Söhnen. Sie ergriffen mich und legten meine Füße in Ketten. Doch vermochten sie nicht, meine Schriften zu lesen, dieweil sie waren in Lettern geschrieben, so diesen Götzenanbetern unbekannt sind. Und siehe, über eine Weile, da mußten sie mich freigeben, denn sie konnten nichts Arges an mir finden. Und sprachen, hebe dich hinweg und sei uns nicht länger ein Dorn im Auge.‹
    Mein Blick irrte zwischen dem runzligen Sprecher und der hoffnungslosen Aufgabe hin und her. Da ich aber meinen Blick so ratlos auf den bewußten Manuskripten ruhen ließ, entdeckte ich, daß sie ja in spanischer Sprache, wenngleich mit dem griechischen Alphabet abgefaßt waren, in einer Schreibweise also, die, wie ich leicht ersehen konnte, den Sendungen der Heiligen Inquisition so unverständlich erschienen sein mußte, als wären es die Hieroglyphen der ägyptischen Priester gewesen.«

FÜNFZEHNTES KAPITEL
    Und ist’s ein Heiliger, oh sag,
    Ein Märtyrer, ein Engel gar,
    Dem zugeeignet dieser Tag,
    Da du dich schmückst so wunderbar?
    Du weißt nicht, schlichter Pilgersmann,
    Was jedes Kind weiß, weit und breit? –
    Kein Heiliger ist schuld daran,
    Es ist die schöne Jahreszeit
    Queen-Hoo Hall, von Strutt

     
    »Die einsame und schöne Bewohnerin der Insel fand, obschon sie durch den Besuch jener Anbeter aus ihrer Ruhe aufgestört worden, alsbald ihre Gelassenheit wieder. Wie hätte sie auch wissen können, was Furcht ist, wo ihr doch nichts in jener Welt, in der sie lebte, jemals feindselig gegenübergetreten war?
    Freilich versetzten jene menschlichen Gestalten, die sich bisweilen dem Eiland näherten, das holde Wesen in eine unmerkliche Erregung, welche sich indes mehr die Neugierde denn der Furcht verdankte. Zu deutlich drückten ja die Gesten jener Geschöpfe deren Verehrung und Sanftmut aus – zu willkommen waren die blumigen Weihegeschenke – zu groß war das Entzücken darüber – zu schweigsam und friedvoll auch verliefen jene Besuche, als daß die Inselherrin ihnen Mißtrauen hätte entgegenbringen mögen. So war sie bloß erstaunt, jene wieder von dannen rudern zu sehen, indem sie sich verwunderte, wie denn ein menschliches Wesen sich so gefahrlos auf dem Wasser zu halten vermochte, und wie denn so dunkle Geschöpfe mit so wenig ansprechenden Zügen all dieser herrlichen Blütenpracht entsprießen konnten, die sie als

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