Melmoth der Wanderer
Verfluchung all derer, die da ...‹
›Genug, meine Tochter – laßt es genug sein‹, sprach da der Pater José. »Hinsichtlich der Rechtschaffenheit Eures Glaubens kann doch wohl keinerlei Zweifel bestehen?‹
›Dies kann ich nur hoffen‹, sagte die besorgte Donna Clara.
›Ich wäre wahrhaftig ein Heide, wollte ich daran zweifeln‹, flocht jetzt der Gottesmann ein, ›und könnte dann ebensogut von diesem Obst oder diesem Glas Malaga sagen, es wäre nicht würdig, die Tafel des Heiligen Vaters zu zieren, wenn er seine Kardinäle traktiert. Wie aber ist es um die mutmaßlichen oder befürchteten Abweichungen im Glaubensbekenntnis der Donna Isidora bestellt?‹
›Hochheiliger Vater, ich habe Euch ja meine religiösen Empfindungen soeben dargelegt!‹
›Ja, gewiß – natürlich. Dazu bedarf es keines weiteren Wortes mehr. Doch Eure Tochter, – wie ist es um deren Glauben bestellt?‹
›Nun, bisweilen sagt sie‹, versetzte Donna Clara, indem sie in Tränen ausbrach, ›bisweilen also sagt sie, das heißt, nur dann, wenn man sie sehr eindringlich befragt, daß die Heilige Religion, sagt sie, eigentlich ein Gebäude der alles umspannenden Liebe sein müßte. Könnt Ihr, hochwürdiger Vater, ein Wort von alledem verstehen?‹
›Mampf – mampf!‹
›Und außerdem sagt sie, daß die Religion jedermann, der sich zu ihr bekennt, zur Pflicht machen müßte, in Güte, Sanftmütigkeit und Demut zu leben, und dies, so sagt sie, müßte auf alle Bekenntnisse und Anbetungsformen zutreffen!‹
»Mampf – mampf!‹
›Hochwürdiger Vater‹, rief Donna Clara, ein wenig pikiert ob der augenscheinlichen Gleichgültigkeit, mit welcher der Gottesmann solche Mitteilung zur Kenntnis nahm, und deshalb fest entschlossen, ihn mit einigen fürchterlichen Beweisen ihres Verdachts aus seiner Ruhe zu bringen ›hochwürdiger Vater, ich habe sie sogar die Hoffnung aussprechen hören, die Ketzer im Gefolge des engländischen Botschafters, sie mögen vielleicht doch nicht in alle Ewigkeit ver...‹
›Schscht! – ich will gar nichts davon gehört haben – oder ich wäre gezwungen, solchen geringfügigen Irrtümern eine weit schwerere Bedeutung beizumessen! Wie dem aber auch sein mag, meine Tochter‹, setzte der würdige Pater fort, ›so will ich Euch zum Trost so weit gehen, Euch das Folgende zu sagen: So gewiß, wie dieser herrliche Pfirsich in meiner Hand ist – mit Verlaub, ich nehme noch einen –, und so gewiß ich dies weitere Glas Malaga mir einverleiben werde‹ – hier trat eine längere Pause ein, hervorgerufen durch die Einlösung solchen Unterpfandes der Wahrheit – ›so gewiß‹ – und Pater José stellte das geleerte Glas auf den Tisch – ›so gewiß trägt Madonna Isidora alles in sich, was zu – was zu einem echten Christenmensch gehört, wie unwahrscheinlich dies in Euren Augen auch erscheinen mag. Ich jedenfalls – ich schwöre es Euch bei der Kutte, die ich auf meinem Leib trage, und im übrigen könnte ja eine kleine Buße – eine – nun, ich will es in Erwägung ziehen. Jetzt aber, meine Tochter, will sagen, sobald Don Fernan seine Siesta beendet hat, dieweil ja in seinem Fall kein Anlaß besteht, ihn des Nachdenkens zu verdächtigen, bitte ich Euch, ihm bestellen zu wollen, daß ich bereit bin, jene Schachpartie gegen ihn fortzusetzen, welche wir vor vier Monaten begonnen haben. Ich habe den einen Bauern bis auf ein Feld an seine letzte Reihe herangebracht, und der nächste Zug wird mir eine Dame eintragen.‹
›So lange hat diese Partie gedauert?‹ fragte Donna Clara.
›So lange!‹ wiederholte der Gottesmann. ›Und, meiner Treu, sie mag sich noch sehr viel länger hinziehen, weil wir ja aufs Mittel berechnet, niemals mehr als drei Stunden pro Tag darüber hingebracht haben.‹
Dies gesagt, zog auch er sich zur Ruhe zurück, und so wurde denn der Abend von dem Priester und von Don Fernan in tiefem Schweigen über ihrer Schachpartie verbracht, – von Donna Clara in ebensolcher Stille über ihrer Stickerei, – und von Isidora an dem wegen der unerträglichen Hitze geöffneten Fenster, von welchem sie in den Mondschein hinausblickte, den Duft der Tuberosen atmete und das Entfalten der im Dunkel erblühenden ›Königin der Nacht‹ beobachtete. All die verschwenderische Üppigkeit der Natur, darin dies Mädchen aufgewachsen, schien sich in diesem Anblick zu erneuern.
›Ich wundere mich, teuerste Schwester‹, sagte jetzt Fernan, welchen die Tatsache, daß der Pater José sich
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