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Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
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hier keine Zusammenhänge erblicken‹, entgegnete Fernan, indem er gegen solche Spitzfindigkeit aufzutrumpfen suchte.
    ›Keine Zusammenhänge!‹ wiederholte der Pater José und schlug das Zeichen des Heiligen Kreuzes über sich. › Excaecavit oculos eorum ne viderent. ‹[Und Er schlug ihre Augen mit Blindheit, auf daß sie nicht sähen.] Doch wozu mein Latein, meine Logik verschwenden, dieweil du doch beider so unkundig bist? So höre denn, da ich dir bloß mit dem einen, unwiderleglichen Argument komme: Der da widerspricht, der leugnet Gott – und damit genug! Die Heilige Inquisition in Goa weiß die Wahrheit meiner Worte zu bezeugen! Wer wagt es jetzt noch, dieselbe zu bestreiten?‹
    ›Ich nicht! – Ich nicht!‹ rief Donna Clara. ›Und auch nicht, des bin ich gewiß, dieser dickköpfige Knabe! Mein Sohn, ich beschwöre dich, unverzüglich an das zu glauben, was der hochwürdige Vater dir gesagt hat!‹
    ›Hochwürdiger Vater‹, sagte Don Fernan, welcher sich nun vor dem Gottesmann aufpflanzte.
    ›Hochwürdiger Vater, ich habe eine Gunst von Euch zu erbitten.‹
    ›Gern, wenn es in meiner Macht stünde, dieselbe zu gewähren‹, antwortete der Pater José.
    ›Es ist die Bitte, des Eintritts meiner Schwester ins Kloster vor der Rückkehr meines Vaters nicht mehr Erwähnung zu tun.‹
    Isidora konnte in ihrem Zimmer kein Auge schließen, und so hatte sie sich vor dem Bildnis der Allerheiligsten Jungfrau auf die Knie geworfen, doch war sie dabei von Gedanken gänzlich anderer Art bewegt. Ihr von heißem Begehren erfülltes, traumverlorenes Dasein, welches aus dem unvereinbaren Kontrast zwischen den Erscheinungsformen der gegenwärtigen Umwelt und den Erinnerungsbildern der Vergangenheit bestand, – der Unterschied zwischen ihrem Empfinden und ihren Beobachtungen – zwischen der leidenschaftlichen Hingabe an alles Erinnerte und dem einförmigen Leben in solcher Wirklichkeit –, all das wurde nun zuviel für diesen armen Kopf, welchem zu schwindeln begann angesichts solchen beständigen Wechsels, wie er wohl auch viel stärkere Seelenkräfte als ihre, zutiefst angegriffen hätte.
    ›Du sanftes und schönes Geistwesen!‹ rief sie aus und warf sich vor dem Bildwerk zu Boden, ›Du, die als Einzige mir zulächelt, seit ich Dein christliches Land betreten, – Du, deren Züge ich bisweilen denen zugeträumt habe, welche in den Sternen meines eigenen, indischen Himmels gewohnt, – so neige Dich meinem Flehen und zürne mir nicht wegen meiner Worte! Gib, daß ich entweder alles Gefühl für mein gegenwärtiges Dasein verliere, – oder aber alle Erinnerung an das vergangene! Warum nur werde ich immer wieder von meinen früheren Gedanken heimgesucht? Einst haben dieselben mich froh gemacht, nun aber sind sie die Dornen in meinem Herzen! Weshalb nur verlieren sie nichts von ihrer Kraft, während doch all ihre Natur sich verändert hat? Nimmermehr kann ich ja sein, was ich einst gewesen bin! – Ach, so laß mich nicht länger solcher Erinnerung leben! Gib, wenn dies möglich ist, daß ich so wie alle anderen sehe, empfinde und denke! Weshalb sollte ich noch länger Gedanken und Empfindungen haben, da doch dies Leben bloß Pflichten für mich bereithält, welche keine Gefühle in mir auslösen? Nur Teilnahmslosigkeit, die von keinem Gedanken gestört wird? So laß mich denn zur Ruhe kommen! – Und ist es auch das Ende aller Freuden, so ist es doch auch das Ende meines Leids. Es ist immer noch besser, in beständiger Ödnis dahinzuwandern, als gemartert zu sein von der Erinnerung an Blumen, welche verblüht, und Düfte, die verflogen sind auf ewig!‹ Die Beterin, von einem Schwall unwiderstehlicher Erregung überkommen, neigte sich erneut vor dem heiligen Bildnis. ›Jawohl, so hilf mir, jedes Erinnerungsbild aus meiner Seele zu verbannen, jedes, bis auf das seine ! Dies letztere allein soll mir verbleiben! Laß mein Herz wie dieser einsame Raum sein, geheiligt bloß durch die Gegenwart des einzigen Bildes und einzig erhellt von dem Licht, das die Liebe vor dem Gegenstand ihrer Bewunderung entzündet hat, um demselben auf ewig zu huldigen!‹
    In so peinvoller Schwärmerei verharrte das Mädchen kniend vor dem Bildnis. Und da sie sich schließlich erhob, schienen die Stille des Raumes und das reglos-stumme Lächeln der Himmelsgestalt nicht nur im Gegensatz zu diesem Ausbruch eines krankhaften Schwächezustandes zu stehen, sondern auch einen schweigenden Vorwurf gegen ihn zu erheben. Draußen der Mond

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