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Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
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wegen des Eifers, den ich in die Errettung deiner Seele gesetzt habe?«
    ›Fern sei von mir, Euch mit Vorwürfen zu kommen. Allein, Ihr wißt nun den Schritt, welchen ich getan, und Ihr müßt Euch nun im klaren sein, daß ich meine Anstrengungen mit allen Kräften fortsetzen werde, welche die Natur mir verliehen. Daß ich nimmer ruhen werde, bevor diese Gelübde nicht von mir genommen sind, und so lange mir die geringste Hoffnung verbleibt.‹ Auf diese Worte hin verharrte der Pater Superior in Schweigen, und ich glaubte schon, ihn beeindruckt zu haben. So fügte ich noch hinzu: ›Wollt Ihr aber der Klostergemeinschaft die Schande ersparen, meine Anrufung der Gerichte innerhalb dieser Mauern mit ansehen zu müssen, so ist der Ausweg unschwer zu finden: laßt eines Tages das Tor ohne Bewachung, stimmt meiner Flucht stillschweigend zu, und meine Gegenwart soll Euch keine Stunde länger belästigen noch entehren.‹
    ›Wie! Nicht nur zum Zeugen, auch noch zum Helfershelfer deines Verbrechens willst du mich machen? Abgefallen von Gott und in die Ewige Verdammnis gestürzt wie du bist, lohnst du es der Hand, die sich dir zu deiner Rettung entgegenstreckt, indem du sie ergreifst, um den Retter mit dir in den Höllenschlund hinabzureißen?‹ Und er schritt in größter Erregung in meiner Zelle auf und ab. ›Was wird alle Welt dazu sagen? Und was soll aus uns allen werden?‹ So redete er sich weiter in seinen Zorn hinein, bis er plötzlich stehenblieb, sich zu mir drehte und schrie: ›Nichtswürdiger Schurke! Steh ab von deiner fürchterlichen Entschlossenheit, gib sie auf; hier und jetzt! Ich gebe dir nur noch fünf Minuten Bedenkzeit zum Überlegen!‹
    ›Und wären es fünftausend – es änderte nichts daran.‹
    ›So zittere denn, weil dir dein Leben nicht geschenkt sein soll, damit du aus der Erfüllung deiner gottlosen Absichten auch noch Nutzen zögest!‹
    Indem er diese Worte hervorstieß, stürzte er aus meiner Zelle. Ich aber glaube, daß die Momente, welche ich während der Zeit seiner Abwesenheit durchlief, zu den entsetzlichsten meines Lebens zählen. Ihr Schrecken wurde noch erschwert durch die mich umgebende Finsternis, denn die Nacht war schon hereingebrochen, und er hatte das Licht mit sich genommen. Zunächst hatte meine Erregung mich dies gar nicht bemerken lassen. Zwar fühlte ich, daß ich mich im Dunkeln befand, wußte aber nicht zu sagen, wie es damit zugegangen, oder auch nur warum. Tausend Bilder unbeschreiblichen Entsetzens schwärmten auf mich ein. Ich hatte schon viel von den Schrecknissen der Klöster gehört, von den Bestrafungen, welche oftmals mit einer Härte vollzogen werden, daß entweder der Tod die Folge ist, oder aber das Opfer in einen Zustand versetzt wird, darin selbst der Tod eine Wohltat wäre. Zuletzt war es das Übermaß meiner Furcht, welches mich von derselben befreite. Ich sprach mir Trost zu, indem ich sagte: ›Sie werden nicht wagen, mich zu ermorden, sie wagen es nicht, mich einzukerkern, sie sind jenen Gerichten verantwortlich, in deren Hände ich mein künftiges Geschick gelegt habe, also wird man es nicht wagen, sich irgendwelcher Gewaltakte schuldig zu machen.‹
    Kaum war ich zu diesem tröstlichen Schluß gelangt, welcher in der Tat den Gipfelpunkt aller hoffnungsvollen Spitzfindigkeit darstellte, als meine Zellentür auch schon aufgerissen wurde, und der Pater Superior mit seinen vier Begleitern sich aufs neue in ihr zeigte. Meine Augen waren zwar noch geschwächt von der Finsternis, darin man mich gelassen, doch konnte ich recht wohl erkennen, daß die Eintretenden einen Strick sowie ein Stück Sackleinwand mit sich trugen. Solche Zurüstung löste in mir die schlimmsten Vorahnungen aus. Es trieb mich dazu, mich auf die Knie zu werfen, und ich rief: ›Ich bin in eurer Gewalt, ich bin schuldig in euren Augen, so vollendet denn euer Vorhaben, doch laßt mich nicht lange leiden!‹
    Ohne auf meine Worte zu achten, vielleicht auch ohne sie gehört zu haben, sagte jetzt der Pater Superior: ›Nun erst nimmst du die Haltung ein, welche dir geziemt.‹
    Bei dieser Anrede, die weniger drohend klang als ich befürchtet hatte, warf ich mich vollends zu Boden und rutschte auf meinen Knien vom einen zum anderen, wie sie da in einer grimmigen Reihe vor mir standen, als wären sie gekommen, mich hinzurichten. Tränenden Auges wandte ich mich an jeden einzelnen von ihnen: ›Bruder Clemens, – Bruder Justinus –, warum versucht ihr, den Pater Superior gegen mich

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