Melodie der Liebe
Gefühl, dass Spence esmeisterhaft beherrschte. Trotzdem, falls er glaubte, sie so einfach Matt setzen zu können, stand ihm eine gehörige Überraschung bevor.
Spence hatte die zweite Unterrichtsstunde brillant gestaltet. Nie hatte er sie länger angesehen als einen der anderen Studenten. Ihre Fragen hatte er in genau dem gleichen Tonfall beantwortet wie die der anderen. Ja, er war ein geduldiger Spieler.
Und dann, als sie den Unterrichtsraum verlassen wollte, hatte er ihr die erste rote Rose gegeben. Ein schlauer Schachzug, der ihre Dame in Gefahr brachte.
Wenn ich Rückgrat gehabt hätte, dachte Natasha jetzt, hätte ich die Rose auf den Boden geworfen und mit dem Absatz zertreten. Aber das hatte sie nicht getan, und jetzt musste sie aufpassen, um ihm stets einen Zug voraus zu sein.
Wenn er so weitermachte, würden die Leute bald anfangen zu reden. In einer Stadt dieser Größe wanderten Nachrichten über so etwas wie rote Rosen vom Lebensmittelgeschäft zur Kneipe, von der Kneipe zur Haustür, von der Haustür zum Klatschtreffen im Hinterhof.
Natasha konzentrierte sich auf die Vorgänge im Laden und legte jedem der streitenden Freedmont-Jungs einen Arm um den Hals. Mit gespielten Ringkampfgriffen trennte sie die beiden.
„Jetzt reicht’s, Jungs. Wenn ihr euch weiter mit so schmeichelhaften Bezeichnungen wie Schwachkopf belegt … Wie hast du deinen Bruder noch genannt?“ fragte sie den Größeren.
„Eumel“, wiederholte er genießerisch.
„Genau. Eumel.“ Den Ausdruck musste sie sich merken. „Klingt gut. Wenn ihr zwei jetzt nicht aufhört, werde ich eure Mutter bitten, euch die nächsten zwei Wochen nicht herzulassen.“
„Oooch, Tash.“
„Dann würden alle anderen früher als ihr all die gruseligen Sachen sehen, die ich für Halloween habe.“ Sie ließ die Drohung in der Luft hängen, während sie sich die beiden mit den Hälsen unter die Arme klemmte. „Also, ich mache euch einen Vorschlag. Werft eine Münze und entscheidet so, ob ihr den Fußball oder den Zauberkasten kaufen sollt. Was ihr jetzt nicht bekommt, könnt ihr euch zu Weihnachten wünschen. Gute Idee?“
Die Jungs grinsten. „Nicht schlecht.“
„Nein, ihr müsst schon sagen, dass sie sehr gut ist, sonst stoße ich eure Köpfe gegeneinander.“
Als sie sie zwischen den Regalen zurückließ, diskutierten die beiden bereits darüber, welche Münze sie nehmen sollten.
„Du hast deinen Beruf verfehlt“, meinte Annie, als die Jungen mit dem Fußball den Laden verließen.
„Wie meinst du das?“
„Du solltest für die UNO arbeiten.“ Sie wies mit einem Kopfnicken durchs Schaufenster nachdraußen. Die Jungen spielten sich bereits ihre Neuerwerbung zu. „Die Freedmont-Brüder sind ganz schön harte Nüsse.“
„Erst jage ich ihnen Angst ein, dann biete ich ihnen einen würdevollen Ausweg.“
„Mein Reden. Typisch UNO-Friedenstruppe.“
Natasha lachte. „Die Probleme anderer Men schen lassen sich am einfachsten lösen.“ Sie sah zur Rose hinüber.
Eine Stunde später fühlte Natasha jemanden an ihrem Rocksaum zupfen.
„Hi.“
„Hi, Freddie.“ Sie strich mit dem Finger über die Schleife, die Freddies widerspenstiges Haar zu bändigen versuchte. Sie war aus dem blauen Band gebunden worden, das Natasha Freddie bei ihrem ersten Besuch geschenkt hatte. „Heute siehst du aber hübsch aus.“
Freddie lächelte sie von Frau zu Frau an. „Gefällt dir mein Outfit?“
Natasha musterte den offensichtlich neuen Jeans-Overall, den jemand wie zu einer Parade gestärkt und gebügelt hatte. „Er gefällt mir sogar sehr. Ich habe genau so einen Overall.“
„Wirklich?“ Freddie hatte beschlossen, Natasha zu ihrem neuesten Vorbild zu machen, und daher freute sie sich riesig. „Mein Daddy hat ihn mir gekauft.“
„Das war nett von ihm.“ Gegen ihren Willensah Natasha sich nach ihm um. „Hat er dich heute hergebracht?“
„Nein, Vera. Ich darf doch kommen und einfach nur gucken?“
„Aber natürlich. Ich freue mich, dass du hier bist.“ Das tat sie wirklich. Und zugleich war sie enttäuscht, dass Freddie nicht ihren Daddy mitgebracht hatte.
„Ich soll aber nichts anfassen.“ Freddie stopfte ihre juckenden Finger in die Taschen. „Vera hat gesagt, ich soll mit den Augen schauen, nicht mit den Händen.“
„Das ist ein sehr guter Rat.“ Und zwar einer, den alle Kinder von zu Hause mitbekommen sollten, dachte Natasha. „Aber einige Dinge kannst du ruhig anfassen. Frag mich einfach vorher.“
„Okay.
Weitere Kostenlose Bücher