Melodie der Liebe
das Kinn auf die Hand gestützt, auf ihrem Bett saß. Sie war launisch, sie war abgelenkt. Und sie war ängstlich. Nicht wegen Spence. Ganz bestimmt. Kein Mann würde ihr je wieder Angst machen. Aber sie hatte Angst vor den Gefühlen, die er in ihr weckte. Vergessene, unerwünschte Gefühle.
Hieß das, sie war nicht mehr Herrin ihrer Gefühle?Nein. Hieß das, sie würde unvernünftig, impulsiv handeln, weil sich Wünsche und Sehnsüchte wieder in ihr Leben geschlichen hatten? Nein. Hieß das, sie würde sich in ihrem Zimmer verstecken, vor einem Mann? Nein und nochmals nein. Natasha sah zu ihrem Schrank hinüber und stand stirnrunzelnd auf. Mit einer rastlosen Bewegung zog sie ein dunkelblaues Cocktailkleid mit einem edelsteinbesetzten Gürtel hervor.
Nicht dass sie sich für ihn zurechtmachte. Dazu war er ihr nicht wichtig genug. Es war einfach nur eines ihrer Lieblingskleider, und sie hatte selten Gelegenheit, etwas anderes als Berufskleidung zu tragen.
Es war genau sieben Uhr achtundzwanzig, als Spence an die Tür klopfte. Natasha ärgerte sich darüber, dass sie die Uhr nicht aus den Augen gelassen hatte. Zweimal hatte sie die Lippen nachgezogen, den Inhalt ihrer Tasche überprüft und nochmals überprüft und sich immer wieder gefragt, warum sie diese Härteprobe nicht noch hinausgezögert hatte.
Ich benehme mich wie ein Teenager, schoss es ihr durch den Kopf, als sie zur Tür ging. Es ist doch nur ein Abendessen, das erste und letzte, das ich mit ihm teilen werde. Und er ist nur ein Mann, fügte sie hinzu, bevor sie die Tür öffnete.
Ein unverschämt attraktiver Mann.
Er sieht großartig aus. Mehr zu denken war sienicht im Stande. Sein Haar war zurückgekämmt, und in den Augen lag dieses angedeutete Lächeln. Sie hätte nie gedacht, dass ein Mann im Anzug und mit Krawatte so unter die Haut gehend sexy sein konnte.
„Hi.“ Er streckte ihr eine weitere Rose entgegen.
Fast hätte Natasha aufgeseufzt. Schade, dass der rauchgraue Anzug ihn nicht mehr wie einen Professor wirken ließ. Sie strich sich mit der Blüte über die Wange. „Ich habe es mir nicht wegen der Rosen anders überlegt.“
„Was?“
„Dass ich doch mit Ihnen essen gehe.“ Sie hielt ihm die Tür auf, denn sie musste ihn wohl oder übel in der Wohnung warten lassen, während sie die Rose ins Wasser stellte.
„Weswegen denn?“
„Ich habe Hunger.“ Sie legte ihre kurze Samtjacke über die Sofalehne. „Setzen Sie sich doch.“
Sie wird keinen Zentimeter nachgeben, dachte Spence, während er ihr nachsah. Er schüttelte den Kopf. Es war unglaublich. Gerade war er zu dem Urteil gelangt, dass nichts so verführerisch duftete wie schlichte Seife, da legte sie etwas auf, das ihn an Violinen bei Mitternacht denken ließ.
Er beschloss, lieber an etwas anderes zu denken, und sah sich im Raum um. Offenbar bevorzugte sie lebhafte Farben. Sein Blick fiel auf dieKissen auf der saphirblauen Couch, deren Töne dem Federkleid einer Wildente nachempfunden waren. Daneben stand eine riesige Messingvase voll seidiger Pfauenfedern. Kerzen unterschiedlichster Größen und Schattierungen waren überall im Zimmer aufgestellt, sodass es ganz romantisch nach Vanille, Jasmin und Gardenien duftete. In der Ecke bog sich ein Regal unter einer riesigen Büchersammlung, die alles von Bestsellerromanen über Tipps für Heimwerker bis zu klassischer Literatur enthielt.
Auf den Tischen drängten sich Erinnerungsstücke, gerahmte Fotos, Trockenblumensträuße und Märchengestalten aus Porzellan oder Gips. Da gab es ein Pfefferkuchenhaus, nicht größer als seine Handfläche, ein als Rotkäppchen verkleidetes Mädchen, ein Schwein, das aus dem Fenster einer winzigen Strohhütte blickte, und eine wunderschöne Frau, die einen einzelnen gläsernen Schuh in der Hand hielt.
Ratschläge für den Do-it-yourself-Klempner, leidenschaftliche Farben und Märchenfiguren, dachte er und berührte den gläsernen Schuh mit den Fingerspitzen. Die Zusammenstellung war so interessant und rätselhaft wie die Frau, die sie geschaffen hatte.
Als er sie wieder ins Zimmer kommen hörte, drehte Spence sich um. „Die sind wunderschön“, sagte er, auf eine der Figuren zeigend. „Freddie würden die Augen aus dem Kopf fallen.“
„Danke. Mein Bruder macht sie.“
„Macht sie?“ Fasziniert griff Spence nach dem Pfefferkuchenhaus, um es genauer zu betrachten. Es war aus poliertem Holz geschnitzt und dann so realistisch bemalt worden, dass man glaubte, es wirklich essen zu
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