Melodie der Liebe
korrigierte Natasha. „Du redest über Spence Kimball.“
„Ich dachte, wir wären Freundinnen.“
Annies Tonfall überraschte Natasha. So ernst sprachen sie selten miteinander. Sie hörte auf, das Rennbahnmodell, das ihre Samstagskundschaft fast in Trümmer zerlegt hatte, in Ordnung zu bringen. „Das sind wir. Du weißt, dass wir das sind.“
„Freundinnen reden miteinander, Tash, vertrauen einander, bitten einander um Rat.“ Annie blies den Atem aus und stopfte die Hände in ihre ausgebeulte Jeans. „Sieh mal, ich weiß, dass dir einiges passiert ist, bevor du herkamst. Etwas, an dem du noch immer zu knabbern hast und über das du nie redest. Ich dachte mir, es wäre ein besserer Freundschaftsdienst, dich nicht danach zu fragen.“
Hatte sie es sich so sehr anmerken lassen? Natasha war sich die ganze Zeit sicher gewesen, dassdie Vergangenheit begraben war. Und zwar tief. Mit einem Gefühl der Hilflosigkeit berührte sie Annies Hand. „Danke.“
Annie zuckte mit den Schultern, ging zur Ladentür und schloss ab. „Weißt du noch, wie ich mich an deiner Schulter ausweinen durfte? Damals, als Don Newman mich hat sitzen lassen.“
Natashas Lippen zogen sich zu einem Strich zusammen. „Er war nicht eine Träne wert.“
„Aber das Weinen hat mir gut getan.“ Annie kehrte mit einem belustigten Lächeln auf dem Gesicht von der Tür zurück. „Ich musste einfach weinen, alles herausschreien und mir einen Schwips antrinken. Und du warst für mich da, hast all diese richtig schön bösen Dinge über ihn gesagt.“
„Fiel mir nicht schwer“, erinnerte sich Natasha. „Er war ein Eumel.“ Es machte ihr großen Spaß, das von dem jungen Freedmont aufgeschnappte Wort zu benutzen.
„Kann sein, aber er war ein wahnsinnig gut aussehender Eumel.“ Annie schloss träumerisch die Augen. „Jedenfalls hast du mir über die harte Zeit hinweggeholfen, bis ich mir selbst klar gemacht hatte, dass ich ohne den Typen besser dran war. Du hast meine Schulter nie gebraucht, Tash. Weil du keinen Mann weiter als bis hier an dich herangelassen hast.“ Sie streckte einen Arm waagerecht aus und hielt ihr die Handfläche entgegen.
Natasha lehnte sich gegen den Tresen. „Was soll das denn sein?“
„Der große Stanislaski-Schutzschirm“, erklärte Annie. „Hält garantiert jeden Mann von fünfundzwanzig bis fünfzig ab.“
Natasha war nicht sicher, ob sie das noch lustig fand. „Willst du mir schmeicheln oder mich beleidigen?“
„Keins von beiden. Hör mir nur einmal eine Minute zu, okay?“ Annie holte tief Luft, um nicht mit etwas herauszuplatzen, das sie ihrer Freundin besser Schritt für Schritt beibrachte. „Tash, ich habe gesehen, wie du Typen mit weniger Mühe hast abblitzen lassen, als du für lästige Fliegen aufbringen würdest. Und genauso beiläufig“, fügte sie hinzu, als Natasha schwieg. „Du bist nicht unfreundlich, aber eben sehr bestimmt. Und sobald du einem Mann höflich die Tür gewiesen hast, denkst du nicht mehr an ihn. Ich habe dich immer bewundert. Du kamst mir so selbstsicher, so zufrieden vor. Ich fand es toll, dass du keine Verabredung am Samstagabend brauchtest, um dein Ego hochzuhalten.“
„So selbstsicher bin ich gar nicht“, murmelte Natasha. „Nur liegt mir nichts an oberflächlichen Beziehungen.“
„Schön.“ Annie nickte bedächtig. „Das akzeptiere ich. Aber diesmal ist es anders.“
„Was?“ Sie ging um den Tresen herum und machte sich an die Tagesabrechnung.
„Siehst du? Du weißt, dass ich gleich seinen Namen nenne, und schon bist du nervös.“
„Ich bin nicht nervös“, log Natasha.
„Du bist nervös, launisch und abgelenkt, seit Kimball vor drei Wochen ins Geschäft kam. In den drei Jahren, die ich dich jetzt kenne, hast du über einen Mann nie länger als fünf Minuten nachgedacht. Bis jetzt.“
„Das ist nur, weil dieser mir noch mehr auf die Nerven geht als die anderen vor ihm.“ Annies spöttischer Blick ließ sie einlenken. „Also gut, da ist … etwas. Aber ich bin nicht interessiert.“
„Du hast Angst, dich zu interessieren.“
„Das läuft auf dasselbe hinaus.“
„Nein, tut es nicht.“ Annie drückte Natasha die Hand. „Sieh mal, ich will dich diesem Typen nicht in die Arme treiben. Wer weiß, vielleicht hat er seine Frau ermordet und im Rosenbeet begraben. Alles, was ich sage, ist, dass du diese Angst überwinden musst. Erst dann fühlst du dich wirklich wohl in deiner Haut.“
Annie hat Recht, dachte Natasha später, als sie,
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