Melodie der Liebe
mich ist das nicht so einfach.“ Nervös schob sie das Haar mit beiden Händen zurück. „Auch wenn es anders aussieht, weil ich so auf dich reagiere. Ich weiß, dass es für Männer einfacher ist als für Frauen, irgendwie weniger persönlich.“
Er erhob sich betont langsam. „Das musst du mir erklären.“
„Ich meine nur, dass Männer Dinge wie dieseunproblematischer finden. Sie sind für sie weniger schwierig zu rechtfertigen.“
„Rechtfertigen“, wiederholte er und wippte auf den Absätzen vor und zurück. „Das klingt, als ob es ein Verbrechen wäre.“
„Ich finde nicht immer die richtigen Worte“, entgegnete sie kurz angebunden. „Ich bin kein College-Professor. Ich habe kein Englisch gesprochen, bis ich acht war. Und lesen konnte ich es noch später.“
„Was hat denn das damit zu tun?“
„Nichts. Und zugleich alles.“ Frustriert eilte sie in die Halle und griff im Vorbeigehen nach ihrem Mantel. „Ich hasse es, mich dumm zu fühlen … dumm zu sein. Ich gehöre nicht hierher. Ich hätte nicht kommen sollen!“
„Aber das bist du.“ Er packte sie an den Schultern, sodass ihr Mantel auf die unterste Treppenstufe flatterte. „Warum bist du gekommen?“
„Ich weiß es nicht. Ist auch egal.“ Sie fühlte den ungeduldigen Druck seiner Hände.
„Warum kommt es mir bloß vor, als führte ich zwei Gespräche zur gleichen Zeit?“ fragte er gereizt. „Was geht in deinem Kopf vor, Natasha?“
„Ich will dich“, sagte sie leidenschaftlich. „Und ich will dich nicht wollen.“
„Du willst mich.“ Bevor sie zurückzucken konnte, hatte er sie bereits an sich gezogen.
Diesmal hatte sein Kuss nichts Geduldiges,nichts Bittendes an sich. Er dauerte unendlich lange. Bis Natasha sicher war, ihm nichts mehr geben zu können.
„Warum macht dir das Angst?“ flüsterte er.
Sie konnte nicht widerstehen und ließ ihre Hände über sein Gesicht gleiten, um nichts davon zu vergessen. „Ich habe meine Gründe.“
„Erzähl mir davon.“
Sie schüttelte den Kopf, und als sie zurückwich, ließ er sie los. „Ich will nicht, dass mein Leben sich verändert. Wenn etwas zwischen uns geschieht, ändert dein Leben sich nicht, aber meines vielleicht. Ich möchte sicher sein, dass das nicht eintritt.“
„Ist das jetzt die alte Geschichte, dass Männer und Frauen unterschiedlich empfinden?“
„Ja.“
Er fragte sich, wer ihr wohl das Herz gebrochen hatte, und er lächelte nicht dabei. „Du bist doch viel zu intelligent, um an das Märchen zu glauben. Was ich für dich empfinde, hat mein Leben bereits verändert.“
„Gefühle kommen und gehen.“
„Ja, das tun sie. Einige jedenfalls. Und was wäre, wenn ich dir sagte, dass ich dabei bin, mich ernsthaft in dich zu verlieben?“
„Ich würde dir nicht glauben.“ Ihre Stimme zitterte. Sie bückte sich nach ihrem Mantel. „Und ich wäre wütend auf dich.“
Vielleicht sollte er besser warten, bis sie ihm glaubte. „Und wenn ich dir sagte, dass ich vor dir gar nicht wusste, wie einsam ich war?“
Seine Worte bewegten sie mehr als jede Liebeserklärung. „Ich würde darüber nachdenken.“
Er berührte sie zaghaft nur mit der Hand an ihrem Haar. „Denkst du über alles so gründlich nach?“
Ihr Blick war vielsagend, als sie ihn ansah. „Ja.“
„Dann denk einmal über dies nach. Ich hatte nicht vor, dich zu verführen. Sicher, ich habe es mir oft ausgemalt. Aber ganz bestimmt nicht, während meine Tochter oben krank im Bett liegt.“
„Du hast mich nicht verführt.“
„Jetzt kratzt du auch noch an meinem geringen Selbstbewusstsein.“
Das brachte sie zum Lächeln. „Es gab keine Verführung. Dazu gehört Planung. Ich lasse mich nicht verplanen.“
„Werde ich mir merken. Wie auch immer, ich habe keine Lust, dies alles auseinander zu nehmen wie ein Musikstudent ein Beethoven-Konzert. In beiden Fällen bleibt von der Romantik nichts übrig.“
Sie lächelte erneut. „Ich will keine Romantik.“
„Das ist schade!“ Und eine Lüge, dachte er. Er hatte noch gut in Erinnerung, wie sie ihn angesehen hatte, als er ihr eine Rose gab. „Da die Windpocken mich noch für ein oder zwei Wochen aufTrab halten werden, hast du noch etwas Zeit. Wirst du wiederkommen?“
„Ja. Um nach Freddie zu sehen.“ Sie schlüpfte in den Mantel. „Und nach dir.“
Natasha hielt ihr Versprechen. Eigentlich hatte sie nur rasch ein Gute-Besserung-Geschenk für Freddie vorbeibringen wollen, doch dann war fast ein kompletter Abend daraus
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