Melodie der Liebe
üblichen raffinierten Manöver war, kuschelte sie sich ins Kissen. „Nächstes Jahr möchte ich eine Zigeunerin sein. Wie Tash. Darf ich?“
„Sicher. Schlaf jetzt. Ich bringe Natasha noch nach Hause, aber Vera ist ja hier.“
„Wirst du Tash bald heiraten, damit sie immer hier bleibt?“
Spence öffnete den Mund, schloss ihn jedoch wieder, als Freddie herzhaft gähnte. „Woher bekommst du diese Ideen nur?“ murmelte er.
„Wie lange braucht man, um eine kleine Schwester zu bekommen?“ fragte sie und schlief gleich darauf ein.
Spence fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Er war froh, dass ihm die Antwort erspart blieb.
Als er nach unten kam, war Natasha dabei, die gröbste Unordnung zu beseitigen. Sie sah auf. „Wenn eine Party ein solches Chaos hinterlässt, weiß man, dass sie gelungen war.“ Etwas an seinem Gesichtsausdruck ließ sie genauer hinsehen. „Ist etwas nicht in Ordnung?“
„Nein, nein. Es ist nur wegen Freddie.“
„Sie hat Bauchweh, stimmt’s?“
„Noch nicht.“ Mit einem Schulterzucken tat er es ab. „Sie schafft es immer wieder, mich zu überraschen.“ Er lachte. „Nicht“, sagte er und nahm ihr den Müllsack ab. „Du hast genug getan.“
„Es macht mir nichts aus.“ Sie zögerte. „Jetzt gehe ich wohl besser. Morgen ist Samstag, da ist der Laden immer voll.“
Er fragte sich, wie es wohl wäre, wenn sie jetzt einfach zusammen nach oben gingen, in sein Schlafzimmer. In sein Bett. „Ich bringe dich nach Hause.“
„Das brauchst du nicht.“
„Ich möchte es aber.“ Die Spannung war zu rückgekehrt. Ihre Blicke trafen sich, und er wusste, dass sie sie ebenfalls spürte. „Bist du müde?“
„Nein.“ Die Zeit war reif für einige Wahrheiten, das ahnte sie. Er hatte getan, was sie von ihm verlangt hatte, und war während der Party nicht mehr als Freddies Vater gewesen. Jetzt war die Party vorüber. Aber die Nacht nicht.
„Möchtest du laufen?“
Ihre Mundwinkel hoben sich. Dann legte sie ihre Hand in seine. „Ja, gern.“
Es war jetzt kälter. Die schneidende Luft kündigte den Winter an. Über ihnen stand der Vollmond in eisigem Weiß. Wolken tanzten über ihn hinweg und ließen die Schatten wandern. Vereinzelt raschelten die Blätter, und hin und wieder hörten sie die Rufe oder das Lachen der letzten kostümierten Gruppen. Um den Stamm der gewaltigen Eiche an der Ecke hatten Teenager das unvermeidliche Toilettenpapier gewickelt.
„Ich liebe diese Jahreszeit“, murmelte Natasha. „Vor allem nachts, wenn es etwas windig ist. Man kann den Rauch der Schornsteine riechen.“
Auf der Hauptstraße begegneten sie älteren Kindern und College-Studenten in Schreckensmasken oder mit bemalten Gesichtern. Ein Wagen voller Monster hielt kurz neben ihnen. Die Insassen kurbelten die Fenster hinunter, und schon ertönte ein schauriges Geheul.
Spence sah dem Wagen nach, als er um die Ecke bog. Das Geheul verklang erst einige Sekunden später. „Ich kann mich nicht erinnern, jemals irgendwo gewesen zu sein, wo man Halloween so ernst nimmt wie hier.“
„Warte erst einmal ab, was sich Weihnachten abspielt.“
Natashas eigener Kürbis stand mit flackernder Kerze vor ihrer Haustür. Daneben eine halb volle Schüssel Candy-Riegel. An der Tür hing ein Schild. „Jeder nur einen, sonst …“
„Und das reicht?“ fragte Spence kopfschüttelnd.
Natasha warf einen Blick auf das Schild. „Sie kennen mich.“
Er beugte sich hinunter und nahm einen Riegel. „Bekomme ich einen Brandy dazu?“
Sie zögerte die Antwort hinaus. Wenn sie ihn hereinließ, würden sie unvermeidlich wieder dort anfangen, wo der Kuss vorhin geendet hatte. Zwei Monate, dachte sie, zwei Monate voller Fragen, voller Zweifel, voller Verstellungen. Sie wussten beide, dass es so nicht weitergehen konnte.
„Natürlich.“ Sie öffnete die Tür und ließ ihn eintreten.
Nervös eilte sie in die Küche, um die Drinks einzugießen. Ja oder nein, jetzt musste die Entscheidung fallen. Ihre Antwort hatte schon lange vor dieser Nacht festgestanden, und sie war auf alles vorbereitet. Aber wie würde es mit ihm sein? Wie würde sie sein? Und wie würde sie nach dieser Nacht so tun können, als wäre sie mit diesem einen Mal zufrieden?
Mehr als diese Nacht durfte sie aber nicht wollen. Welcher Art ihre Gefühle für ihn auch sein mochten – und sie waren sehr tief –, das Leben musste so weitergehen wie bisher. Keine Versprechungen, keine Schwüre.
Keine gebrochenen Herzen.
Als sie zurückkehrte,
Weitere Kostenlose Bücher