Melodie der Sehnsucht (German Edition)
hatte ihm nicht einen Blick geschenkt, dabei hätte er so gern versucht, ihr ein wenig Zuversicht zu geben. Aber vielleicht hatte er sich das alles ja auch nur eingebildet – ein Trugbild, vorgegaukelt von seiner tiefen Erschöpfung nach der Reise, eine Illusion von Liebe zu einer Frau, die seinen schönsten Träumen entstiegen schien.
»Für mich trägst du das Gesicht der Frau Venus«, dichtete Florimond, während er sich in seine Decken schmiegte. »Geschaffen zur Liebe und doch unerreichbar fern.« Dabei schlief er schon fast – wenn schon nicht von der traurigen Braut, so doch von Morpheus’ Armen fest umschlungen.
Dann aber störte zunächst ein Poltern vor seiner Ausstiegsluke und kurz darauf eine Mädchenstimme seinen Schlummer.
›Sattele meine Stute, Gaston!‹
Florimond fuhr auf. Die Stimme erklang direkt unter ihm, aus dem Pferdestall. Florimond versuchte, durch die Ritzen im Boden zu spähen und fand dann eine kleine Klappe, durch die wohl das Heu in den Stall geworfen wurde. Von hier aus hatte er gute Sicht.
Und tatsächlich: Im Gang stand Sabine, die Taschen gepackt.
Florimond war sofort wieder verzaubert von ihrem Anblick. Unter dem Reitkleid zeichneten sich ihre schlanken, aber weiblichen Formen besser ab, dazu war ihr Gesicht jetzt nicht mehr blass und unbeteiligt, sondern vor Aufregung gerötet und angespannt. Sie verfolgte, wie der kleine Reitknecht etwas widerstrebend eine hübsche Schimmelstute aufhalfterte.
Aber dann fuhr der Ritter ebenso zusammen wie das Mädchen und der Knecht. Aus den Tiefen des sonst fast nachtdunklen Stalles ertönte eine schneidende Stimme.
»Sabine, meine geschätzte Madame Mère? Wie schön, Euch so bald wiederzusehen. Aber vielleicht solltet Ihr auch Euer Personal auf Euren neuen Titel hinweisen. Oder befehlt Ihr nur mir, Euch ›Marquise‹ zu nennen?«
Mit seinem beängstigenden, halben Lächeln trat François de Caresse ins Licht der Stalllaterne.
Florimond lief es kalt den Rücken hinunter. Sabine wollte doch nicht gemeinsam mit diesem Ritter fliehen? Konnte er sich so in ihr getäuscht haben?
François’ nächste Worte bewiesen jedoch die Irrigkeit dieser Annahme.
»Und wo wollt Ihr denn noch hin, Marquise? Nach Montcours, zu Eurem kleinen Freund? Hat mein Vater doch richtig vermutet, dass da zarte Bande bestanden zwischen Euch und diesem Philippe.«
»Ich ...« Sabine war erschrocken und suchte verzweifelt nach einer Ausflucht. »Mit Philippe hat das gar nichts zu tun. Der ist ... ich weiß nicht einmal, wo er ist ...«
»Mein Vater schon, Marquise Mère, und meine Wenigkeit.« Während Gaston sich verängstigt ins hinterste Strohlager verzog, näherte sich Caresse zielstrebig der jungen Frau. »Schließlich haben wir den Ritter selbst auf den Weg gebracht. Wie gütig von der Gemeinde Larosse, die Asche der Ketzerin Henriette de Montcours ihrer Familie zurückzugeben, statt sie in alle Winde zu verstreuen, nicht wahr? Der Pfarrer dort hätte sich nie dazu bereit erklärt, wenn mein Vater nicht etwas nachgehakt hätte. Und natürlich ziehen sich die Verhandlungen auch noch ein wenig hin. Euer Ritter wird nicht vor dem Neumond zurückkehren, Sabine.«
François de Caresse legte seinen Finger unter Sabines Kinn und zwang sie, zu ihm aufzusehen. Dabei hatte Sabine allen Grund, ihr Mienenspiel vor ihm zu verbergen. War Philippe also doch nicht aus eigenem Antrieb wortbrüchig geworden? Sabine konnte sich gut vorstellen, dass der Graf de Montcours auf der Abreise seines Sohnes bestanden hatte. Es war ein gutes Gefühl, wenigstens nicht verraten worden zu sein.
Hier allerdings bahnten sich weitere Schwierigkeiten an.
»Aber nun heraus mit der Sprache – Marquise. Wo wolltest du hin, mitten in der Nacht? Wohl kaum ein kleiner Ausritt durch die Weinberge, oder? Gib’s zu, du wolltest flüchten. Mein Vater gefällt dir nicht. Aber dein Philippe war dir auch nicht unbedingt treu ergeben, nicht wahr? Schließlich konnte er Asche Asche sein lassen – ich hätt’s gemacht für dein hübsches Gesicht.« Der Ritter hob seine Hand und versuchte, Sabines Wange zu streicheln. Die junge Frau wich entsetzt zurück, François de Caresse atmete jetzt heftiger.
»Hör zu, Sabine, gleichgültig, was dein Vater sich dachte, als er dich einem Mann gab, der mehr als doppelt so alt ist wie du: Was du brauchst, ist weder ein Greis noch ein Feigling. Du bist schön und wild genug für einen richtigen Mann.«
Der Ritter griff nach Sabines Schultern und zog sie an
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