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Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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weiß«, sagt er, »daß diese Trennung endgültig ist.«
    Eine Weile essen sie schweigend, und der Duft der dampfenden Gans und des Aprikosenmuses erfüllt den Raum und zieht in die Halle hinaus. Der kleine Kater Otto erscheint in der Tür, setzt sich und wartet darauf, daß ihm ein Bissen zugeworfen wird. Matti und Boris blicken auf die Katze. »Kann ich Otto haben«, fragt Boris, »wenn Marcus nicht zurückkommt?«
    Johann Tilsen sieht Boris liebevoll an. »Solange wir nicht wissen, wohin Marcus gegangen ist«, sagt er, »kann nichts entschieden werden.«
    »Er ist in seine Welt gegangen«, meint Boris.
    »Was meinst du damit?« fragt Johann.
    »Es gibt da eine Welt, in die er immer geht. Er hat mir davon erzählt, bevor er zu sprechen aufgehört hat. Dort gibt es Büffel und einen Messerschleifer.«

KIRSTEN: AUS IHREN PRIVATEN PAPIEREN
    Wir haben Weihnachten im Dunkeln verbracht.
    Ich ließ alle Türen und Läden schließen und alle Vorhänge zuziehen, um jeden, der uns besuchen wollte, glauben zu lassen, wir seien nach Arabien gegangen oder in der Sargassosee ertrunken.
    Meine Mutter murrte und protestierte, doch ich bekam einen Wutanfall und sagte zu ihr, sie würde einsam und allein sterben, wenn sie nicht mehr Rücksicht auf andere Leute nimmt, statt im Sumpf des eigenen kleinen Universums auszuharren, und daß dies der einzige Weg sei, Marcus vor einer gemeinen Entführung zu bewahren.
    Sie gab zurück, daß Boller ihr Haus sei und meine Ankunft eine förmliche Invasion heraufbeschworen habe, ähnlich jener der kaiserlichen Soldaten in Jütland während der Kriege, worauf ich erwiderte: »Na gut, dann verhalte ich mich eben wie dein Feind! Aber unterschätze nicht, was dich diese neue Feindschaft kosten wird!« Und sie griff sogleich nach einem Maßstab aus Messing und kam in der Absicht, mich zu schlagen, mit diesem auf mich zu. Ich war jedoch behende und wich ihm aus, so daß sie einen Eichentisch traf und der Stab so krumm wurde, daß er fast auseinanderbrach. Sie sah ungeheuer dumm aus, wie sie so mit dem verbogenen Stab in der Hand dastand, und ich lachte sie laut aus, konnte aber in ihren Augen sehen, daß sie mich am liebsten tot sähe. Diese Beobachtung verursachte mir etwas Unbehagen, weil sie ja meine Mutter ist und mich lieben sollte, es aber nicht tut und es auch niemals tun wird.
    Ich hatte jedoch meinen Willen, und Boller wurde verriegelt und die Läden geschlossen.
    Mir sind Dunkelheit und Kerzenlicht lieber als das normale Tageslicht. Es ist dann, als sei die gesamte ränkeschmiedende Welt in den schwarzen Himmel gefahren und bereite mir keine Probleme mehr. Selbst den Wind hört man kaum noch. Die Feuer brennen heller. Im sanften Schein der Lampen sehe ich jünger aus. Ich halte Dorothea auf dem Schoß und sehe – im Licht der Kerzen, die in meinem Zimmer Wache stehen und sich in der ruhigen Luft nicht bewegen – das Gesicht meines Geliebten. Und ich denke mir ein Gebet aus (an diesem Tag, an dem Christus geboren wurde), in dem ich um die Vergebung meiner Sünden und die Rückgabe des Vaters meines Kindes bitte.
    Am Weihnachtsmorgen sagte ich zu Emilia: »Ich öffne jetzt die Tür und sehe einmal nach, ob mir die Engel etwas in die Schuhe gelegt haben!«, und sie lachte mich aus. Doch was entdecke ich dann in meinen Schuhen? Zwei bemalte Eier. Und ich weiß, daß sie Emilias Henne Gerda gelegt und sie selbst sie gekocht und verziert hat. Und ich möchte sagen, daß ich diese Eier mehr liebe als alles Gold und daß ich sie aufheben werde, bis sie faul sind, da in ihnen Emilias ganze Zuneigung zu mir liegt.
    Ich zeige sie Ellen, meiner Mutter. »Wann hast du mir letztesmal so ein Geschenk gemacht?« frage ich sie, doch sie weigert sich, die Eier anzusehen. Sie ist eine böse Frau und hartherzig wie das Meer, und ich wundere mich nur, daß ich ein Herz im Leib habe, denn ich glaube, sie hat keins.
    Und nun hat sie – seit ihrem mißlungenen Versuch, mit dem Maßstab auf mich einzuschlagen –, wie von mir vorausgesehen, einen Plan ausgeheckt, der sehr verschlagen und auch selbstgefällig ist. (Mein Gott, wie hasse ich doch die Pläne von anderen, die immer den unverkennbaren Ruch der Grausamkeit in sich tragen!) Ellen sagt mir nichts weiter darüber, als daß sie und Vibeke im neuen Jahr nach Kopenhagen fahren werden.
    »Ach?« frage ich. »Wofür? Um den König zu besuchen?« Sie antwortet mir aber nicht. Sie spitzt nur den Mund, so daß er wie die Blütenblätter einer alten, verwelkten

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