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Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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Peitschen aus Seide anfertigen (für die alle Vorhangschnüre meines Schlafzimmers und anschließenden Kabinetts verwendet und ausgefranst worden sind).
    Ich weiß, daß ich, wenn ich diese herrlichen Peitschen zu Gesicht bekomme, so danach lechzen werde, sie bei Otto auszuprobieren, daß ich ihm in meiner Raserei vielleicht die Kniehose zerreiße und auf den Lippen Schaum habe wie eine Wahnsinnige. Und daran erkenne ich, daß es sich bei unserer gegenseitigen Versklavung tatsächlich um eine Geistesgestörtheit handelt. Wir sind gleichsam Bewohner einer anderen Welt, wo nur wir zwei herumlaufen und normale Angelegenheiten keine Rolle spielen, sondern nur dieses eine, was uns festhält und wovon wir für nichts und niemanden auf der Welt lassen können.
    Unsere Auspeitschungen und Schläge verfeinern und vervollkommnen wir noch mit Worten zur absoluten Lust. Ich wage es nicht, niederzuschreiben, welche Beleidigungen wir uns schon gegenseitig lautstark an den Kopf geschleudert haben, sondern halte hier nur fest, daß es nichts Besonderes, ja sogar milde und höflich ist, wenn mich Otto »eine wahrh. Hure & Dirne, eine Unzucht tr. Schlampe … usw., usw. …« nennt, und daß wir mit unseren gegenseitigen Beschimpfungen bereits so weit gegangen sind, daß ich behaupten möchte, wir benötigen ein Wörterbuch, um eine paar neue, noch nicht abgedroschene Ausdrücke zu finden.
    Ach, Otto, mein Geliebter, meine einzige Befriedigung, was soll aus uns nur werden?
    Werden wir an unseren himmlischen Wunden sterben?

    Wenn Otto nicht bei mir ist, verbringe ich meine Zeit gern mit Schlafen oder einer leichten Freizeitbeschäftigung, wie zum Beispiel mit Sticken, Münzspielen oder kurzen Spaziergängen in den Gärten zusammen mit meiner süßen Universalfrau Emilia.
    Sie ist die einzige meiner Frauen, die ich ertragen kann, und der Grund dafür ist, daß sie mich nicht haßt. Ich bin zu der Überzeugung gelangt, daß meine ganze Ekelhaftigkeit nur von dieser Bürde des Hasses herrührt und ich, wenn ich vom Adel, der Königinwitwe und meinen eigenen Kindern geliebt und geschätzt statt verabscheut und verachtet würde, anders und gut und der Name Kirsten nur mit Tugend verknüpft wäre.
    Denn in gewissem Maße sind wir das, wofür uns die anderen halten. Und weil mich Emilia mag und glaubt, ich sei ehrenhaft und rücksichtsvoll, kann ich all dies wirklich sein, wenn ich mit ihr zusammen bin, und ihr gegenüber nichts als Zuneigung zeigen.
    Damit ihre ausgezeichnete Meinung von mir nicht durch Berichte über meine Amouren mit dem Grafen getrübt wird, habe ich meine anderen Frauen zum Schweigen über diese Angelegenheit verpflichtet und dafür Sorge getragen, indem ich ihr ein weit entferntes Zimmer gegeben habe, daß sie keinen Lärm hört, der ihr verrät, was ich mit den Seidenpeitschen und anderen Dingen mache.
    Johanna, meine Frau für den Kopf, wehrte sich am meisten gegen den Schwur und war so unverschämt, zu mir zu sagen: »Madam, ich sehe nicht ein, wie man von uns erwarten kann, etwas geheimzuhalten, was nicht im geheimen geschieht.« Das machte mich so wütend, daß ich nach der goldenen Statue des Königs auf dem Turnierpferd griff und mich nur die plötzliche Erkenntnis, daß sie dann mausetot umfallen könnte, davon abhielt, sie ihr an den Kopf zu schleudern. Es würde mich jedoch nicht überraschen, zu erfahren, daß sie gegen mich intrigiert. Ich glaube, sie bildet sich ein, intelligent und schlau zu sein, weil sie meine »Frau für den Kopf« ist, doch ich kann keinerlei Intelligenz an ihr erspähen, nur Eifersucht und Boshaftigkeit.
    Emilia hat mir während meiner Stickstunden etwas mehr über ihre Familie erzählt, die sie in Jütland zurückgelassen hat, auch davon, daß alle ihre Brüder bis auf einen unter dem Bann ihrer Stiefmutter, der vulgären Bäuerin Magdalena, stehen und sie sich nun um Marcus, »den einzigen nicht davon Betroffenen«, Sorgen macht, weil sie sich vorstellen kann, wie traurig er seit ihrer Abreise nach Kopenhagen ist. Emilia hat ein so gutes Herz, daß sie das schwere Los ihres Bruders mehr berührt als mich je eins meiner Kinder. Und so fühle ich mich wiederum dazu bewogen, sie zu trösten. Ich drücke ihr einen Kuß aufs weiche Haar und nenne sie »mein kleiner Schatz«. Und dann schmieden wir Pläne, wie wir ein paar hübsche Glocken kaufen und sie Marcus nach Jütland schicken, damit er sie an sein Pony hängen kann und weiß, daß ihn Emilia nicht vergessen hat.
    Dann schaut mich

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