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Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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was er recht häufig tut, wackelt ihm auf lustige Art das Kinn. Wir haben ihm in seinem großen und gemütlichen Haus in Norfolk einen Besuch abgestattet. Er züchtet dort Vieh, baut Gartenkürbisse und alle möglichen anderen neuen, aus Holland und Frankreich stammenden Gemüse an und ist bei seinen Nachbarn ausgesprochen beliebt. Kurzum, er ist ein guter Mann, und da ich in Charlottes Augen sehe, daß sie sich nach ihm und nach Kindern von ihm sehnt, glaube ich wirklich, daß es sehr gut weitergehen wird.
    Ich hoffe, von Dir einen Brief zu erhalten, bevor das Baummobiliar seinen letzten Schliff bekommen hat und auf dem Boden liegt.
    Dein Dich liebender Vater
    James Whittaker Claire

KIRSTEN: AUS IHREN PRIVATEN PAPIEREN
    Ich muß schon sagen, daß es noch nie in meinem Leben so schwierig war wie jetzt!
    Es wundert mich kaum, daß so viele Frauen der Wirklichkeit entfliehen und Vergessen im Schnaps suchen oder sich – wie es, so habe ich gehört, jetzt im ganzen Königreich die große Mode ist – zu Tode tanzen. Denn das Leben einer Frau ist doch immer und ewig von Komplikationen eingeengt, so daß sie sich jede einzelne Stunde während ihres Wachseins um die eine oder andere kümmern und nach möglichen Lösungen suchen muß. Es gibt Tage, das schwöre ich, an denen ich mich körperlich und geistig so erschöpft fühle, daß ich mich am liebsten aufs Bett legen und nie wieder aufwachen würde.
    Bevor der König von seiner norwegischen Mine zurückkehrte, öffnete ich morgens die Augen und fragte mich, was mich am Tag erwarten würde, und es fiel mir ein, daß ich ein paar Stunden mit Otto verbringen und wieder einmal im wilden Galopp unserer Leidenschaft davongetragen werden würde, daß mein Geliebter sein Glied in mich hineinrammeln würde wie ein sich aufbäumender Hengst in eine Stute und ich den Schmerz der Seidenpeitsche auf meinem Hintern spüren würde, und dann fand ich, daß es schön auf der Welt war. Aber leider, leider ist diese Zeit vorbei! Geblieben sind mir nur der Schmerz und die Aufgedunsenheit meiner Schwangerschaft und die schreckliche Notwendigkeit, diese vor dem König zu verheimlichen, bis ausreichend Zeit verstrichen ist, daß ich behaupten kann, das Kind sei von ihm. Dann wird es meine Ausrede sein, und er wird sie akzeptieren müssen. Er liebt Kinder und hat mehr in die Welt gesetzt, als ich zählen kann. Daß dieses ein Knabe vom Rhein mit flachsblondem Haar, goldener Haut und einem nach Liebe gierenden Naturell sein wird, sollte keinen Unterschied machen. Er wird glauben, daß es seins ist.

    Inzwischen kann mich der Graf hier nicht besuchen, und ich wage es nicht – damit nicht alle meine Pläne aufgedeckt und zunichte gemacht werden –, mich auch nur zu einem heimlichen Treffen mit ihm aus dem Palast zu schleichen.
    Wir schreiben uns jedoch. Mein alter Freund James, der Punktezähler auf dem Tennisplatz, der mir vor langer Zeit einmal im Sommerhaus einen unanständigen Kuß geraubt hat und seitdem in meiner Knechtschaft steht, hat die Botenrolle übernommen und trägt, in seiner Arbeitstasche versteckt, Briefe zwischen Ottos Wohnung und Rosenborg hin und her.
    Wir schreiben uns auf eine verschlüsselte Art, indem wir deutsche, französische, englische, italienische und lateinische Wörter vermischen. Wir nennen uns Stefan und Brigitte. Stefan ist ein Jockey. (Oh, ein Jockey, Otto, mein Lieber !) Brigitte ist die Tochter eines Gerbers. (Ah, und wie sie auf die Häute einzuschlagen weiß, mon très cher Comte !) Bei allem, was ihnen dabei aus der Feder strömt, gibt es nicht eine grammatikalisch richtige Konstruktion. In Wirklichkeit sind Brigitte und Stefan anomale Zuckerbäcker, die aus der Sprache einen Kuchen machen, den niemand sonst auf der Welt schön findet.

    Es bleibt jedoch nicht viel – abgesehen von dieser Korrespondenz –, was mir Vergnügen oder Frohsinn bereitet. Die Tage vergehen, das ist alles. Der Sommer bringt seine goldene Wärme. Ich träume von Ottos Mund. Ich schicke Emilia zum Pflücken von Blumen in die Gärten, damit ich ihren Duft in meinen einsamen Räumen habe

    Und auch mit meiner Mutter und Emilias Familie geht nicht alles so, wie wir es uns gewünscht hätten.
    Ellen Marsvin hat den Tilsen-Haushalt inzwischen zweimal besucht und Marcus beide Male nicht zu Gesicht bekommen. Doch trotz ihres Mißerfolgs als unsere Spionin in Jütland hat sie meine Frau für den Körper, Vibeke Kruse, als Mädchen für ihre Garderobe für sich beansprucht und auch

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