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Melodie des Südens

Melodie des Südens

Titel: Melodie des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gretchen Craig
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er zu verschwinden versuchte, solange Pearl noch wach war, würde sie Schwierigkeiten machen. Es würde nicht leicht sein, sie noch einmal zu verlassen.
    Aber Pearl schlief nicht. Sie ließ den Jungen bei Miss Marianne und kam über die Lichtung zu seiner Schlafstelle gekrochen. Dann kniete sie auch schon neben ihm und zog an seiner Hand. Er stand auf und folgte ihr schweigend weiter in den Wald hinein.
    Sie fanden eine kleine Lichtung unter ein paar Kiefern. Als Pearl sich Luke zuwandte und ihre Hände hob, um sein Gesicht zu liebkosen, erinnerte er sich an all die Nächte, in denen sie sich geliebt und zärtlich zueinander gewesen waren. »Mein Gott, ich habe dich so vermisst, Pearl.« Seine Küsse waren so zart wie ein Schmetterling auf einem Gänseblümchen.
    Mit ihren Händen und Lippen erzählten sie sich, wie groß ihre Sehnsucht gewesen war. Die Zärtlichkeit wurde zur Leidenschaft und zum Begehren, und Luke legte sie sanft auf das Bett aus Kiefernnadeln.
    Als sie sich später still in den Armen hielten, sah Luke die Sterne, die sich langsam um ihren Pol bewegten. Seinen Polarstern. Seine Hoffnung. Wenn er das nächste Mal weglief, würde Pearl mit ihm gehen.
    »Du hast den ganzen Tag fast nichts geredet«, sagte sie, den Kopf in seine Armbeuge gelegt.
    Er streichelte ihre Hand, die auf seiner Brust lag, antwortete aber nicht. Nach einer Weile sagte sie: »Es ist nicht meine Schuld, dass sie dich gefangen haben, Luke.«
    Er drehte sich zu ihr, sodass er ihr Gesicht im Licht der Sterne sehen konnte. »Nein, Liebes, es ist nicht deine Schuld. Aber verstehst du das denn nicht? Jetzt bin ich wieder ein Sklave.«
    »Aber wir sind wieder zusammen, Luke. Und jetzt haben wir den Kleinen, den wir großziehen können.«
    Luke machte sich von ihr los. »Der Kleine ist deine Angelegenheit, Pearl, er geht mich nichts an.«

22
    Yves führte sie weiter auf der Landstraße und suchte die ganze Zeit nach einer Abzweigung Richtung Osten. Sie würde sicher hinter der nächsten Biegung auftauchen, sagte er sich die ganze Zeit. Sie waren ihrem Ziel ganz nahe. Mit jeder Meile wurden seine Sorgen größer statt kleiner. Wie würde Gabriel sich verhalten? Ob er vielleicht nicht mehr der liebenswürdige große Bruder war, sondern ein verbitterter, zorniger Mann? Yves wusste nicht, wie er damit umgehen sollte, wenn ihn sein Bruder wegen seiner weißen Haut anklagte.
    Solange er denken konnte, hatte Yves Sklaven gekannt. Die meisten von ihnen hatten ihm nie in die Augen gesehen. Viele, vor allem die Feldarbeiter, lächelten einen Weißen auch nie an und sprachen nicht mehr mit einem Weißen, als sie mussten. Er hatte recht früh begriffen, dass sie Masken trugen. Und obwohl sie ihr wahres Selbst vor ihm versteckten, hatte er auch begriffen, dass viele von ihnen den Gedanken verinnerlicht hatten, dass sie nicht mehr waren als Maultiere. Es war nur ein Gefühl; natürlich konnte er nicht in die Herzen von Menschen blicken, die ihr Inneres vor ihren Herren verschlossen.
    Aber dieser Luke, dachte Yves, fühlte sich nicht als Maultier. Obwohl man ihn sein Leben lang genau so behandelt hatte, war er ein Mann, und das konnte er auch nicht verbergen. Oder er wollte es nicht. Und Joseph? Ein wahres Muster an Menschlichkeit und Geist. Am Ende eines langen Sklavenlebens war Joseph ein Mann von tiefer Würde.
    Marianne schloss zu ihm auf. »Ist da eine Lücke zwischen den Bäumen? Das könnte der Weg sein!«
    Sie hatte in den letzten Tagen sehr viel ausgehalten, und trotzdem war sie immer noch frisch wie der junge Morgen. Wer hätte erwartet, dass die Ballschönheit Marianne Johnston so zäh sein könnte? Nicht ein einziges Mal hatte sie sich über die langen Stunden im Sattel beschwert oder über die Nächte auf dem harten Erdboden. Vermutlich waren die Nächte für ihn sogar schwieriger zu ertragen gewesen als für sie. Ständig hatte er sich vorgestellt, wie es wäre, wenn sie sein Lager mit ihm teilte, mit ihm Sterne zählte, sich an ihn schmiegte, ihn küsste … sich endlich hingab. Ein paar Löckchen waren aus ihrer Haube gekrochen und umrahmten ihr sonnenverbranntes Gesicht. Keine Frau war mit ihr zu vergleichen, dachte er. Als sie den Weg nach Osten erreichten, bogen sie ab. Er sah ganz genau so aus, wie sich Yves einen Weg vorstellte, an dem Monroe und seine Bande Gabriel hätten abladen können.
    Die Bäume am Wegrand sperrten den Wind aus, sodass die Sonne glühend heiß auf sie herabschien. Das Quietschen der Ledersättel, das

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