Melodie des Südens
Chamard.
Yves wäre lieber auf der Plantage geblieben. Immer noch strebte er danach, Mariannes Gunst zu gewinnen, und es wurde auf eine seltsame Weise immer wichtiger für ihn, dass es ihm gelang. Was auch immer er sagte oder tat, schien sie zu reizen, und je mehr sie ihre Abneigung zeigte, desto mehr wünschte er sich, sie für sich zu gewinnen. Sie war eine Herausforderung, und er gab zu, das war ein Teil ihrer Anziehungskraft.
Aber es war mehr als das. Sie war mehr als das. Sie war so voller Hingabe, voller Abneigung, voller Leidenschaft – sie hatte Tiefe, diese Marianne Johnston.
Die Art und Weise, wie ihr Mund schmal wurde und ihre Nasenflügel bebten, wenn sie sich ärgerte, bezauberte ihn, aber er beneidete auch seinen Bruder um das Lächeln, das sie ihm schenkte. Sein Bruder hatte ihr im Übrigen weit mehr Aufmerksamkeit geschenkt, als sich gehörte. Marcels farbige Geliebte Lucinda, die er in einem gemütlichen Häuschen im Vieux Carré von New Orleans untergebracht hatte, genoss Marcels Zuneigung, aber sie konnte ihm keinen Erben schenken. So war es vielleicht ganz gut, wenn Miss Johnston der verführerischen Gegenwart seines Bruders nicht länger ausgesetzt war.
Wie eifrig sie darauf bedacht war, die drei Männer aus dem Haus zu bekommen, dachte er. Sie hatte Adam versichert, er werde auf Magnolias derzeit nicht gebraucht. »Ich werde mich um die Suchmeldung nach dem Flüchtling kümmern, du musst dich damit nicht belasten«, hatte sie ihm eifrig erklärt.
Yves fragte sich, was dahintersteckte. Nachdem er Luke und Cat selbst zur nächsten sicheren Station gebracht hatte, hatte er ein großes Interesse daran, dass es die beiden schafften. Und Marianne schien ungewöhnlich bereit, allein in dem großen Haus zurückzubleiben. Ob sie die Suche nach Luke wirklich verfolgen würde?
So war die Sache bald entschieden, die drei Junggesellen reisten ab. An einem drückend heißen, nebligen Morgen küsste Adam seine Schwester zum Abschied, und Marcel murmelte über ihre Hand gebeugt einen Abschiedsgruß.
Yves hätte sich gewünscht, sie über seinen Arm hinweg nach hinten zu beugen und sie lange und heftig zu küssten, aber wie die Dinge lagen, wagte er nicht einmal einen Handkuss. Er musste ihre Aufmerksamkeit erlangen, bevor er sie verführen konnte, hier auf der Veranda oder an irgendeinem anderen Ort.
So verzog er nur den Mund zu einem schiefen Lächeln, das sie ebenso gut bezaubern wie erzürnen konnte, und streckte auf amerikanische Weise die Hand aus, als wäre sie ein männlicher Bekannter und nicht eine junge Schönheit.
Marianne nahm den Händedruck entgegen, obwohl sie von dem Mangel an Höflichkeit ein wenig enttäuscht war. Dann atmete sie heftig ein. Er hatte mit den Fingern über ihre Handfläche gestreichelt. Eine so schlichte Berührung, und doch rieselte es ihr kalt über den Rücken. Schnell zog sie die Hand weg.
Selbst eine solche Gelegenheit nutzte er zur Verführung! Er war wirklich ein Schurke! Mit einem gefährlichen Glitzern in den hellbraunen Augen lächelte Yves ihr zum Abschied zu. Sie weigerte sich, das Lächeln zu erwidern. Wenn er sie für diese Sorte Mädchen hielt, irrte er sich. Natürlich waren die Gefühle, die er in ihr erweckte, gegen die guten Sitten. Weder Martin noch Albert hatten ihre Ausgeglichenheit in ähnlicher Weise gestört. Nicht einmal Marcel, der doch viel besser aussah als Yves.
Mit der linken Hand umfasste sie ihre beleidigte Rechte, die immer noch heiß war, wo seine Finger sie berührt hatten.
Sobald die Männer ihre Pferde bestiegen hatten und davongeritten waren, wischte sie die Hände an ihrem Rock ab, um das Gefühl loszuwerden. Als ihr das nicht gelang, beschloss sie, es zu ignorieren, und marschierte entschlossenen Schrittes ins Arbeitszimmer ihres Vaters. Sie band ihr Musselin-Halstuch ab und setzte sich an den schweren Schreibtisch. Hier konnte man ihre Beine nicht sehen, und so zog sie den Rock in höchst undamenhafter Weise über die Knie hoch, um ein wenig Kühlung zu bekommen. Selbst jetzt, ganz allein im Zimmer, errötete sie bei der Vorstellung, Yves Chamard könnte sie so vorfinden. Nun, er war fort, und das war gut so.
In der obersten Schreibtischschublade suchte sie nach Papier und Feder und überlegte, wie sie die Suchmeldung für die Zeitung formulieren sollte. Sie beschloss, einfach die Fakten zu nennen – allerdings nicht ganz exakte Fakten. Soweit sie sich erinnerte, war Luke ein gut aussehender Schwarzer, groß und
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