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Melodie des Südens

Melodie des Südens

Titel: Melodie des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gretchen Craig
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letzten Wintersaison richtig gedeutet hatte, hatte die Frau beschlossen, sich Albany Johnston nicht entgehen zu lassen.
    * * *
    In der Nachmittagshitze zog sich Marianne in ihr Zimmer zurück. Wie still das Haus war, wenn nur noch Hannah und Charles und ein paar andere Sklaven darin umhergingen. Heute Abend würde es keine Gespräche geben, keine freundliche Aufmerksamkeit von Marcel, keine aufdringlichen Blicke von Yves. Der Mann war unerträglich; sie fühlte sich sehr unbehaglich in seiner Gegenwart. Er sah nicht annähernd so gut aus wie sein Bruder, diese Narbe an der Lippe verdarb sein Gesicht vollkommen. Wenn er sie anlächelte, wirkte es immer wie ein höhnisches Grinsen. Manchmal musste sie sich wirklich zwingen, seinen Mund nicht anzustarren und auf dieses kleine, halbe Lächeln zu warten.
    Sie fuhr sich mit der Zunge über die Oberlippe. Er war ein unerträglicher Flirter, und wenn Lindsay Morgan die Wahrheit sagte, war er auch ein schlimmer Frauenheld. Gut, dass er fort war.
    Sie warf sich auf ihr Sofa und schlug Jane Eyre auf, wo sie zu lesen aufgehört hatte. Jane war in diesen St. John verliebt, den Marianne einfach nicht leiden konnte. Ein so blutleerer Langweiler, Jane wäre mit dem arroganten Mr Rochester viel besser dran. Allerdings war da die unangenehme Geschichte mit seiner wahnsinnigen Frau auf dem Dachboden, natürlich. Und doch. Rochester war leidenschaftlich und schwungvoll und …
    Nun. Es war nur eine Geschichte. Im richtigen Leben heirateten gut erzogene junge Frauen nicht solche anmaßenden, gefährlichen Männer. Und sie hatte kein Interesse an einem Mann, dem menschliches Leiden so gleichgültig war und die Meinung einer Frau erst recht. So war nämlich Yves Chamard. Er hatte kein Mitleid mit Peter gehabt, und nach der kleinen Sylvie hatte er nicht einmal gefragt.
    Marcel hingegen – Marcel sah gut aus und war ein freundlicher Mann. In seinem Benehmen war nichts von dieser unangenehmen Dominanz zu spüren. Marcel war in der Nacht über den Fluss gefahren, um Gabriel zu holen, damit er Sylvie half. Er war ein Mann, den sie ein wenig ermutigen konnte.
    Eigentlich wollte sie gar nicht heiraten, warum auch? Sie war selbst wohlhabend genug, sie brauchte weder das Geld eines Mannes noch seinen Namen. Und eine Heirat würde bedeuten, dass sie sich einem Ehemann unterwarf, denn daran gab es keinen Zweifel, in einer Ehe regierte der Mann.
    Freilich, die Einsamkeit war ein Problem. Adam lebte sein eigenes Leben, Vater hatte seine Freunde und seine Arbeit. Sie mochte sich nicht mit der Vorstellung anfreunden, als einsame, vertrocknete alte Jungfer zu enden. Andererseits wollte sie weder nur schmückendes Beiwerk für einen Mann sein, noch lediglich die Mutter seiner Kinder. Marcel war von sanftem Temperament und sicher kein Diktator. Wenn sie also irgendwann heiraten musste und Vater der Ansicht war, dass sie schon zu lange zögerte, wäre Marcel sicher keine schlechte Wahl.
    Der intensive, sinnliche Duft der Magnolien, der von April bis August überall auf der Plantage wahrzunehmen war, lag wie ein schweres Gewicht auf ihr. Der ständig spürbare leichte Schweiß, den ein Sommer in Louisiana nun einmal mit sich brachte, befeuchtete das Hemd zwischen ihren Brüsten und rückte ihr ihren Körper stark ins Bewusstsein. Wieder wischte sie sich über die Hand, wo Yves Chamard sie so kühn gestreichelt hatte.
    Sie schüttelte den Kopf. Was für ein Unsinn, sie musste sich ablenken. Sie griff nach ihrem Skizzenblock und begann zu zeichnen. Ein schiefes Lächeln und eine kleine, gerade Narbe nahmen unter ihrem Bleistift schnell Form an. Sie warf den Block zur Seite. Sie würde ausreiten. Nein, dazu war es zu heiß. Sie würde ein Bad nehmen. Sich die Haare waschen. »Hannah?«, rief sie.
    Und so ging der Tag dahin.
    Marianne war Unzufriedenheit genauso wenig gewohnt wie Untätigkeit.
    Als es am Abend endlich kühler wurde, überlegte sie, was sie mit sich anfangen könnte. Ihre Finger lagen allzu feucht auf den Klaviertasten, und so ließ sie die Sonatine bald wieder fallen, an der sie übte. Weit und breit war niemand da, mit dem sie sprechen konnte. Sie vermisste Adam. Und ihren Vater. Und Marcel. Nicht seinen Bruder, beeilte sie sich zu versichern. Vielleicht sollte sie ein wenig durch den Garten spazieren. Joseph würde da sein, mit ihm konnte sie ein Weilchen plaudern.
    Oder sie konnte nach Peter sehen. Ja, das würde sie tun.
    Mit neuem Elan angesichts einer Aufgabe strebte sie durch die Diele

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