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Melodie des Südens

Melodie des Südens

Titel: Melodie des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gretchen Craig
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dem alten Schulzimmer zu, wo Adam und sie in ihrer Kindheit von einer Reihe hochnäsiger Hauslehrerinnen furchtbar schlecht unterrichtet worden waren. Eine sehr anständige, sehr steif gestärkte Dame hatte Adam sogar einmal mit der Gerte auf die nackten Beine geschlagen. Sie hatte versucht, ihm beizubringen, wie ein feiner Herr aß, und er hatte zu kichern begonnen, und dabei war ihm Milch in die Nase geraten, und er hatte sie über Madams bestes braunes Kleid gespuckt. Bis heute sagte Adam, die Schläge hätte er für den Gesichtsausdruck der Lehrerin gern in Kauf genommen.
    Marianne nahm eine Tafel und Kreide mit und ging hinunter zu den Sklavenunterkünften. Auf einer Plantage gab es keine untätigen Hände, jedenfalls nicht unter den Sklaven.
    Sie musste etwas für Peter zu tun finden, nachdem seine Füße verkrüppelt und seine linke Hand unbrauchbar war. Natürlich war es gegen das Gesetz, einem Sklaven das Lesen beizubringen. Aber wenn er es einmal konnte, wer sollte dann noch etwas dagegen unternehmen? Das Risiko war gering, wer sollte schließlich davon erfahren?
    Und es würde Spaß machen, dachte sie.
    Nun, da Peters Wunden sich geschlossen hatten, waren auch die Fliegenschwärme aus seiner Hütte verschwunden. Der einzige Unterschied zwischen seiner Hütte und den anderen bestand darin, dass sie vor Einbruch der Dunkelheit bewohnt war. Zu dieser Jahreszeit arbeiteten die Sklaven fünfzehn Stunden lang; bis zum Einbruch der Dunkelheit waren sie auf den Feldern.
    Als sie näher kam, hörte Marianne Peters Stimme aus der Hütte.
    »Ich kann nicht mehr, Mammy, ich sage es dir doch. Ich werde noch fett wie ein Schwein, wenn du nicht endlich damit aufhörst.«
    Als Marianne eintrat, stand Lena von ihrem Stuhl auf. »Guten Abend, Miss Marianne. Kommen Sie doch rein, ich hole Ihnen gleich ein Stück von dem Kuchen, den Pearl gebracht hat.«
    »Meine Mammy braucht immer jemanden, den sie füttern kann, Miss«, sagte Peter.
    »Ja, ich nehme gern ein Stück. Schau mal, Peter«, sagte sie. »Ich habe dir eine Tafel mitgebracht. Weißt du, wofür man die braucht?«
    »Nein, Ma’am, keine Ahnung.«
    »Ich werde dir das Lesen beibringen, und mit dieser Tafel fangen wir an.«
    Lena und Peter sahen sie verblüfft an. »Sie wollen Petie beibringen, wie man liest?« Lenas Augen waren weit aufgerissen und leuchteten. »Sie wollen ihm wirklich beibringen, wie man liest?«, fragte sie noch einmal.
    »Ja. Was für ein Kuchen ist das?«
    »Pfirsich. Aber hier unten in den Unterkünften kann niemand lesen!«
    »Evette hat Brombeerkuchen hinauf zum Haus geschickt.« Marianne nahm ein Stück von dem Kuchen in die Hand, der schön fest war und sich nicht verformte. »Also, Peter, nimm die Kreide in die Hand. Versuch mal ein bisschen damit zu zeichnen, damit du ein Gefühl dafür bekommst.«
    Peter hielt mit der verbundenen Hand die Tafel auf seinen Knien fest und nahm die Kreide in die andere. Er sah seine Herrin an. »Sie lassen mich lesen?«
    Sie nickte ihm zu, den Mund voll Kuchen. »Los jetzt.«
    Peter hatte bisher höchstens einmal mit einem Stock im Sand gezeichnet. Er drückte so hart auf, dass die Kreide zerbrach, und ließ die Tafel fallen, als wäre sie heiß. »O Himmel, Miss Marianne, es tut mir leid.«
    »Kein Problem, Kreide zerbricht immer mal. Versuch’s noch einmal.«
    Diesmal fuhr Peter nur ganz leicht mit der Kreide über die Tafel und beschrieb eine weiche, gebogene Linie. Er hielt die Tafel hoch, um sie seiner Großmutter zu zeigen, und Lena nickte. Die beiden sahen so feierlich aus, als würden sie die Heilige Schrift betrachten.
    Marianne aß ihren Kuchen auf und wischte sich die Hände an dem Tuch ab, das Lena ihr reichte. »Jetzt zeige ich es dir.« Und die erste Unterrichtsstunde begann, indem sie ein großes A auf die Tafel malte.
    Als sie aufhörten, war es fast dunkel geworden. Marianne wusste, in den Sklavenunterkünften gab es keine Geheimnisse, und sie machte sich gar nicht erst die Mühe, Peter und Lena zu bitten, die Sache für sich zu behalten. Sie waren beide so aufgeregt, sie würden darüber sprechen müssen.
    Sie ging zu Josephs Hütte, um ihn zu bitten, sie durch die Dämmerung zum Haus zu begleiten. Sie fürchtete sich nicht, aber auch sie war ein wenig aufgeregt. Sie musste Joseph erzählen, wie gut Peter lernte. Jetzt konnte er die ersten fünf Buchstaben schon richtig gut schreiben.
    Joseph war wunderbar sprachlos, als sie ihm von ihrem Vorhaben mit Peter erzählte, sodass sie

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