Melodie des Südens
heran. »Ich habe Frühstück für uns bestellt. Wenn wir gegessen haben, gehe ich zu Mr Tadman.«
Pearl ließ ihr Bündel bei ihrer Herrin und ging in die Küche, wo bereits Eier geschlagen und Speck gebraten wurde und wo sie mithalf, und sei es nur, um die Dinge zu beschleunigen. Wenn sie erst nach dem Öffnen des Marktes ankamen, konnte es sein, dass jemand anderer Luke bereits gesehen und vom Fleck weg gekauft hatte. Sie mussten unbedingt als Erste dort sein.
Nach dem Frühstück verließ Mr Chamard das Gasthaus, um Mr Tadman aufzusuchen. Miss Marianne trank noch eine Tasse Kaffee. Pearl blieb in der Küche und half der Köchin beim Backen. Sie konnte unmöglich still sitzen, und mit Arbeit verging die Zeit einfach schneller.
Endlich, endlich kam der Wirt zu ihr in die Küche. Ihre Herrin warte draußen auf sie, sagte er. Mr Chamard hatte die vier Pferde fertig gemacht, Miss Marianne saß schon im Sattel, es konnte losgehen.
Der große Markt lag nicht mehr als eine Meile außerhalb der Stadt. Das war weit genug, damit die Stadtbewohner sicher sein konnten, dass die Cholera und andere Krankheiten der geschwächten durchziehenden Schwarzen sich nicht in die Stadt ausbreiten würden. Andererseits war es nah genug, damit die Käufe und Verkäufe von Sklaven bequem abgewickelt werden konnten. Dieser Markt war der zweitgrößte nach dem in New Orleans in diesem Teil der Welt. Tausende und Abertausende versklavter Seelen kamen durch die großen Tore herein und gingen ebenso versklavt wieder hinaus.
Beim Anblick des gefürchteten Ortes zitterte Pearl. Ihr ganzes Leben lang hatte sie Geschichten davon gehört, wie es war, wenn man auf einen solchen Markt geschickt wurde, wenn man ausgezogen und angefasst und von Fremden angesehen wurde, die nicht mehr in einem sahen als in einem Ochsen, Pferd oder Maultier, das auf den Feldern arbeiten sollte. Sie stellte sich eine dunkle Wolke aus Angst und Hoffnungslosigkeit über der Halle vor.
Ein Wagen und einige Reitpferde am Eingang des grob gezimmerten Holzbaus zeigte Pearl, dass sie nicht die Ersten waren. Sie schüttelte die düsteren Gedanken ab, die sie überfallen hatten. Luke war da drinnen, und sie war hier, um ihn zurückzufordern. Sie stieg vom Pferd und band es eilig fest.
Mr Chamard stieg ebenfalls ab und rief sie zu sich.
»Pearl, deine Ungeduld führt zu gar nichts. Die Händler riechen es wie einen Toast mit Zimt, wenn man etwas unbedingt will. Damit treibst du nur den Preis in die Höhe, und wir haben nur eine begrenzte Summe von meinem Freund zur Verfügung. Verstehst du das?
Chamard blickte zu Miss Marianne auf. »Vielleicht wäre es besser, wenn sie mit dir hier draußen bleibt. Ja, ich glaube, das wäre das Beste.«
»Nein, Mr Chamard«, sagte Pearl. »Ich gehe da rein. Ich muss ihn sehen. Am Ende erkennen Sie ihn nicht. Ich gehe mit da rein.« Sie wollte ihn am Ärmel festhalten, sie wollte flehen, betteln, notfalls weinen. »Ich bin auch ganz still, wirklich.«
Ihre Herrin und er entschieden, indem sie über ihren Kopf hinweg Blicke tauschten. Endlich nickte Miss Marianne, die noch auf ihrem Pferd saß. »Ich denke, das kann nicht schaden.« Sie begann abzusteigen, und Mr Chamard hielt ihre Taille, um ihr herunterzuhelfen. Der Mann war verliebt in Missy, das konnte Pearl jedes Mal sehen, wenn er sie anfasste.
»Aber es wäre mir lieber, wenn du draußen bleibst«, sagte er zu Marianne.
Sie überlegte einen Moment. »Mein Vater und letztlich auch ich selbst profitieren von der Sklaverei. Ich glaube, ich habe nicht das Recht, die Augen davor zu verschließen, was die Sklaverei Menschen antut.«
Mr Chamard nickte. Er reichte ihr seinen Arm, und Pearl ging hinter den beiden her.
Die Sklaventreiber waren auf frühe Käufer eingestellt. Sie hatten ihre Ware schon in einem Halbkreis im Hof aufgestellt. Um Käufer anzulocken, hatten sie allen Sklaven frische Kleider angezogen. Die Männer standen mit billigen Hüten auf dem Kopf da. Sie standen absolut still, bereit, sich genau inspizieren zu lassen. Ebenso bewegungslos standen die Frauen, einige von ihnen mit kleinen Kindern, die ihnen an den Röcken hingen. Sie alle sahen die Besucher über den Hof hinweg an.
Als der Händler mit dem vornehmen grauen Zylinder eine Pfeife ertönen ließ, marschierten die Sklaven über den Hof.
»Ein bisschen lebhafter, verdammt noch mal!«, rief der Sklavenhändler. Er pfiff wieder, und die Männer und Frauen liefen schneller, trabten durch den Hof. Beim dritten
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