Melodie des Südens
Tagesreisen von Gabriel entfernt. Wenn sie jetzt zurück nach Natchez ritten, würde sie das mindestens einen weiteren Tag kosten.
»Yves?«, sagte Marianne.
»Ich weiß.«
»Gabriel …« Sie wusste nicht, was sie über Gabriel sagen sollte.
Yves sah sie an. »Ich weiß.«
Er überprüfte, ob das vierte Pferd noch bei ihm war, dann schloss er sich dem Ende der Reihe an. Marianne und Pearl folgten ihm.
Auf der Washington Road bogen die Sklaven ab, aber Yves folgte weiterhin der Landstraße Richtung Natchez.
»Mr Yves!«, flehte Pearl. »Sie nehmen einen anderen Weg!« Sie bog ab, um Luke zu folgen.
Yves gab seinem Pferd die Sporen und holte sie ein. Er griff ihr in die Zügel und nahm sie ihr aus der Hand.
»Sie gehen zum Sklavendepot«, erklärte er ihr. »Heute Abend können wir nichts mehr erreichen. Morgen gehen wir zum Markt.«
Marianne ritt neben Pearl und streckte die Hand nach ihr aus. »Morgen, Pearl.« Pearl nickte und folgte Marianne zurück zur Straße.
Zu dritt ritten sie im Schein der Gaslaternen durch Natchez zu einem Gasthaus an der Commerce Street. Marianne und Yves belegten zwei Zimmer und aßen in der Gaststube im Erdgeschoss, während Pearl ihr Abendessen hinter dem Haus einnahm.
»Yves, ich habe nur noch anderthalb Dollar.«
Er nickte und seufzte. »Ich habe neun.« Das wäre bei Weitem genug für ihre alltäglichen Bedürfnisse, würde aber nicht ausreichen, Luke zu kaufen.
»Wir brauchen ja nur so viel, wie die Belohnung kostet. Kennst du irgendjemanden in Natchez?«
»Ja, aber wir werden mehr brauchen als nur die Belohnung.« Er sah Marianne an. »Marianne, hast du die Suchmeldung rausgeschickt?«
»Nein«, gab sie zu. Jetzt verstand sie ihn: Der Sklavenhändler würde ihre Behauptung, dass Luke ihr gehörte, nicht glauben, nachdem Magnolias nicht einmal bekannt gegeben hatte, dass er vermisst wurde. Sie sah an dem einfachen, billigen Kleid hinab, das sie trug, und tastete mit der Hand nach ihrem schlecht frisierten Haar. Nein, sie sah wirklich nicht aus wie die Tochter eines reichen Plantagenbesitzers.
Sie spielte kurz mit ihren Ohrringen, ein Geschenk ihres Vaters zum dreizehnten Geburtstag. »Es gibt eine Bank hier, dort werde ich gegen eine Unterschrift sicher Geld bekommen.«
Yves schüttelte den Kopf. Die Bank in Natchez gehörte zu einem anderen Institut als dem, mit dem die Chamards ihre Geschäfte abwickelten, und es war auch nicht Mr Johnstons Bank. Er erklärte ihr, wie lange es dauern würde, bis eine Nachricht nach New Orleans geschickt würde und bis die Antwort käme. Vorher würde die Bank ihnen nichts auszahlen.
Marianne nahm ihre Ohrringe ab. Yves beobachtete, wie sie mit den Fingern den feinen Schmuck aus ihren Ohrläppchen entfernte, und sie fühlte sich, als zöge sie sich vor ihm aus. Sie atmete schneller, als sie seinen Blick spürte.
Aber sie hatten jetzt Wichtigeres zu erledigen.
Sie hielt ihm ihre Handfläche mit den Ohrringen hin. »Dann also die Perlen.«
Yves schloss ihre Finger über dem Schmuck und legte seine Hand um die ihre. »Du bist eine großzügige Seele, Miss Johnston, und ich ziehe den Hut vor dir.« Sie sahen sich in die Augen, während das Licht der Gasbeleuchtung sie in seinen sanften Schein tauchte, und Marianne dachte: Yves. Er ist einfach der Richtige.
Dann öffnete er ihre Hand wieder und hob einen der Perlenanhänger ins Licht. »Perlen sind schon wunderschön«, sagte er und sah Marianne wieder an. »Du solltest immer Perlen tragen.«
Sie hatte nicht gewusst, dass ein Mann einer Frau in aller Öffentlichkeit so sehr seine Liebe zeigen konnte. Ihr Atem beruhigte sich einfach nicht, und seine Blicke drangen förmlich in sie ein. Wusste er, dass sie sich wünschte, er würde sie küssen, ihr zeigen …
»Mein Freund hier am Ort ist ein ehrlicher Mann, er wird die Perlen nur als Pfand behalten. Du bekommst sie wieder.«
Yves ließ ihre Hand los und lehnte sich zurück, als habe er plötzlich an all die Menschen an den Nebentischen gedacht.
»Wer ist dieser Mann?«, fragte Marianne. Sie legte die Hand, die er gehalten hatte, in ihren Schoß und hielt sie mit der anderen fest, als könnte sie auf diese Weise seine Berührung bei sich behalten.
»William Tadman. Er ist ein wohlhabender Geschäftsmann hier in Natchez. Soweit ich weiß, betreibt er alle möglichen Geschäfte, einen Barbierladen, Pfandleiherei, wohl auch Landwirtschaft. Unsere Väter kennen sich aus Paris.«
Yves wickelte die Perlen in sein Taschentuch ein und
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