Melrose Avenue
dem Krankheitsbild. Trotz allem versuchte die Polizei ihm klar zu machen, was er getan hatte und dass es eine einstweilige Verfügung geben würde, sollte er sich mir nochmals nähern.“
„Was ist bei dem Übergriff passiert?“
„Ich möchte keine Einzelheiten nennen. Er hat mir eine Falle gestellt und mich dann überrumpelt.“
„Sie wurden verletzt.“
„Ein paar Kratzer, das ist alles.“
„Und nun ist Snider auf der Flucht. Das bedeutet , Sie brauchen letztendlich doch Personenschutz.“
„Im Moment rund und die Uhr, ja! “
„Na ja, es gibt Schlimmeres als 24 Stunden mit Shane Atkins zu ve rbringen oder?“
„Das mag sein, aber es geht um meine Freiheit. Es geht darum, dass mir ein Mensch ins Leben pfuscht auf eine Art und Weise, die nicht okay ist.“
„Sie sind verständlicherweise wütend auf Snider.“
„Ja, aber ich habe auch Angst. Er nimmt nun keine Medikamente mehr und wird dadurch unberechenbar. Wer weiß, was er als nächstes plant.“
„Wenn er gefasst wird, wo würden Sie ihn dann am liebsten sehen, in der Psychiatrie oder im Gefängnis?“
„Ich denke , um so eine Frage zu klären, würden wir mehr als die Zeit dieses Interviews benötigen. Es ist die Hürde, die es in Gerichtsverhandlungen immer wieder zu nehmen gilt. Ab wann ist jemand zurechnungsfähig und somit für seine Taten voll verantwortlich? Beziehungsweise ab welchem psychischen Zustand ist er es nicht mehr? Snider hat ein Trauma, das für seine Identitätsstörung verantwortlich ist. Das muss psychologisch behandelt werden. Trotz allem hat er sich mit seinem Angriff strafbar gemacht. Und zwar in zweifacher Hinsicht. Jetzt greift das Stalkinggesetz und er hat eine Anzeige wegen Körperverletzung.“
„Sie sagten Snider hätte ein Trauma. Können Sie uns dazu Genaueres sagen?“
„Das darf ich leider nicht.“
„Generell ist es doch aber so, dass Täter meistens milder beurteilt werden, wenn Sie nachweislich ein Trauma, meistens aus ihrer Kin dheit, haben. Denken Sie auch so?“
„Also Charlie, ich denke wir kommen hier ganz schön ins fachsimpeln. Ich bin keine Psychologin, aber man muss schon unterscheiden, ob ein Trauma ein Trauma bleibt, und gegebenenfalls psychologisch behandelt wird. Oder ob sich daraus eine psychische Störung entwickelt.“
„Nun, wir müssen nicht in der Theorie bleiben. Nehmen wir einfach den gerade in den Medien aktuellen Fall von Warren Sockett. Er hat neun Frauen bestialisch ermordet und beruft sich nun darauf, dass er jahrelang von seiner Mutter sexuell missbraucht wurde. Er hat im Gerichtssaal geweint und ist zusammengebrochen. Die Schlagzeilen lauten nun „Der Mensch hinter der Bestie“. Viele glauben nun, dass die Geschworenen milder urteilen werden. Würden Sie das auch?“
„Wie können solche Menschen im Nachhinein auf unsere Großmut und Milde hoffen, wenn sie während ihrer Taten nie über die Konsequenzen nachdachten? Wie können sie sich in ihrer Reue nun als menschlich darstellen, wenn sie vorher schlimmer als Tiere gehandelt haben? Das ist meine Antwort darauf! Und Ihr Vergleich hinkt. Sockett und Snider mögen beide ein Trauma haben, aber ihre Taten sprechen eine komplett unterschiedliche Sprache!
„Natürlich, es ging mir rein um Ihre allgemeine Meinung zu traumatisierten Straftätern.“
„Dazu interviewen Sie besser eine Psychologin. Nur weil ich Opfer eines Stalkers geworden bin, machte mich das noch lange nicht zur Expertin.“
„Hat man schon eine Spur von Snider?“
„Die Polizei arbeitet daran.“
„Dann bedanke ich mich für das Interview, Maggie, und wünsche Ihnen, dass man ihn bald findet.“
„Danke , Charlie.“
Maggie stand auf und ging zum Fenster. Sie atmete tief durch. Das hatte sie viel Kraft gekostet. Sie drehte sich zu Macintosh um.
„Sie haben mich aus der Reserve gelockt. Was wollten Sie mit dem Sockett-Fall bezwecken?“
„Ich wollte nur Ihre allgemei ne Meinung hören, das ist alles!“
„Ach tun Sie doch nicht so scheinheilig , Charlie. Es ist doch immer ein gefundenes Fressen für die Presse, wenn sich Prominente zu solch kritischen Fällen öffentlich äußern. Reicht Ihnen denn mein Fall nicht? Oder ist Ihnen der zu harmlos, zu unspektakulär?“
Er zuckte mit den Sc hultern. „Natürlich reicht mir Ihr Fall, es ist wirklich schlimm, was da passiert ist. Aber als Draufgabe wäre es natürlich für mich als Journalist noch nett gewesen, ein paar andere Statements zu bekommen. Das ist nur normal.“
Ja
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