Melville
Boden nass war. Vielleicht von Regen, aber es
hat in den letzten Nächten nicht geregnet.”, merke ich an.
„Zweifelst
du immer noch?“, zischelt Vanessa.
„Ich
versuche nur objektiv zu bleiben. Vielleicht fand diese Vision gar
nicht in London statt. Wir sollten herausfinden, wo es in letzter
Zeit im weiteren Umfeld geregnet hat, möglicherweise erhalten wir so
eine Spur.”.
„Ja,
gute Idee. Rohbauten gibt es sicherlich viele, das hilft uns wohl
alleine nicht weiter.“, sagt Andrew. Ich bin froh, dass er
anscheinend nicht immer noch sauer auf mich ist. Jedenfalls nicht
auffällig. Ich versuche möglichst beiläufig auf die Uhr zu sehen,
doch natürlich bemerken sie es.
„Du
musst wieder, oder?“, fragt Vanessa.
Ich
nicke und sage
„Ja,
es wird langsam knapp.”.
„Du
weißt, was man über Vampire sagt, die kürzer wach sind als
andere?“, fragt sie weiter.
„Nein,
was denn?“, frage ich neugierig.
„Die
haben sich versündigt, Melville. Ich meine jetzt nicht aus der
konservativen Sicht. Sondern, dass das Leute sind, die Dinge getan
haben, die normalerweise unaussprechlich sind und für sie selbst,
nach ganz persönlichen Maßstäben, eine wirkliche Sünde.”. Beide
sehen mich an, erwarten sie jetzt, dass ich ihnen erzähle, was ich
getan habe?
„Wirklich?
Sagt man das?”.
„Ja.”,
antwortet Andrew für sie. Ihm ist das wohl anscheinend auch bekannt.
„Vielleicht
hat es bei mir gereicht, dass ich meine Steuern nicht bezahlen
wollte.”, versuche ich scherzhaft abzulenken, aber sie scheinen
sich damit nicht abspeisen zu lassen. So bleibt mir nur der Rückzug,
denn ich werde bestimmt nicht aus meiner Vergangenheit berichten. Und
ich bin sehr froh, dass mir die Tat von vorhin mit Natasha wohl
keinen Tribut abfordert, so dass ich jetzt nicht vor ihren Augen in
den Schlaf falle.
„Ich
muss jetzt. Achtet auf Daniel, vielleicht fällt ihm direkt nach dem
Erwachen ja noch etwas ein. Ich wünsche euch einen guten Schlaf.”.
„Dir
auch.“, antwortet nur Andrew, während mich Vanessa fast schon
besorgt anblickt. Herrje, ich hatte ja keine Ahnung, wie viel Aufruhr
eine kleine Schlafdifferenz hervorrufen kann. Aber wenn man mit
Leuten zusammenwohnt, wird man wohl genau beobachtet. Auch wenn es
noch so lästig ist. Ich lasse die beiden im Wohnzimmer zurück und
begebe mich in mein Schlafzimmer. Ich bin erleichtert, dass diese
elendige Nacht endlich für mich vorüber ist.
Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft
Als
ich erwache, prasselt der Regen bereits stürmisch an das Fenster und
sofort wird mir die mögliche Bedeutung bewusst. Vielleicht hatte
Daniel eine Aussicht auf die nahe Zukunft, auf diese Nacht oder die
morgige. Vielleicht war er doch in London, gefangen in diesem Körper.
Rasend vor Hunger und Zorn. Ich kann nur hoffen, dass diese Visionen
doch nichts weiter als Humbug sind.
„Ein
Bote hat das für Sie gebracht, Mr Lancaster.“, sagt James zu mir
und reicht mir einen Dokumentenumschlag.
„Danke,
James.”, sage ich. Andrew sitzt mit Daniel im Wohnzimmer und
gleicht die Mitschrift mit seinen Erinnerungen ab. Und der stetige
Regen scheint uns alle eine mahnende Erinnerung zu sein, schnell zu
arbeiten. Vanessa ist in ihrem Kellerzimmer und leicht hört man im
Hintergrund ihre dröhnende Musik. Ich beschließe in mein
Arbeitszimmer zu gehen, um die Unterlagen ungestört sichten zu
können.
Benedict
hat mir die Dokumente geschickt, zusammen mit einer kleinen Notiz,
dass ich Ms Miller nicht aus den Augen lassen soll. Nach meiner
Aussage zu ihren zweifelhaften Worten der Camarilla gegenüber, hatte
er wohl Recherchen angestellt. Jetzt bin ich doch neugierig.
Aus
den Daten lese ich heraus, dass Vanessa als Mitglied des Sabbats
gezeugt wurde! Dass sie anschließend, nachdem der Sabbat wohl keine
Verwendung mehr für sie hatte, von einem Anarchen Brujah ohne
bekannten Namen und aktuellen Aufenthaltsort erzogen und versorgt
wurde und schließlich über Umwege den Weg in die Camarilla gefunden
hat. Ihr Primogen, Christian Summers, hatte wohl Mitleid mit ihr und
hat ihr Gast- und Jagdrecht bewirkt. Es gilt aber nur temporär. Sie
ist kein festes Mitglied der Domäne! Das darf ja wohl nicht wahr
sein!
Doch
seine Recherchen reichen noch weiter. Ich finde Rechnungen für
Krankenhausaufenthalte und Therapiemaßnahmen für einen achtjährigen
Jungen namens ‘Brian Miller’. Ihr Bruder. Es macht den Anschein,
dass sie nur zum Geldverdienen in meinem Klüngel ist, um die
Behandlung ihres
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