Melville
Bücher? Und hast du nicht letztens auch
in einem gelesen?”.
„Du
hast mich ertappt, ja, ich lese gerne, vor allem die alten
Schinken.”.
„Muss
ja dann ganz interessant hier für dich sein. - ‚Verwaltung und
Stadtrat, London, 1804 ‚”. Andrew notiert und Daniel nimmt mir
das Buch ab. Ich sehe Daniel an, er wirkt etwas abgelenkt, sicher von
seiner Tat heute Nacht.
„Ich
lese lieber Romane als öffentliche Dokumente, Melville.”.
„Shakespeare?”.
„Ja,
manchmal, aber mehr so James Joyce und so.”.
„‘Baulanderwerb,
London und Umgebung, 1923‘ - James Joyce, sagt mir jetzt nichts,
wenn ich ehrlich bin.”.
„Du
solltest dir seine Werke mal anschauen, aber ich glaube, du liest
grundsätzlich nicht gerne, oder?”.
„Ich
habe genug mit anderen Schriftstücken zu tun, als –
‚Kriegsanleihen und Verzinsung, 1912‘ - dass ich Zeit dafür
hätte.”.
„Sonst
irgendwelche kulturellen Güter?”, fragt Andrew weiter.
„Ein
wenig Musik hin und wieder. Aber ich könnte dir jetzt keine Gruppe
sagen. Obwohl, die Sachen von den neuen Diven sind ganz nett. Adele,
Duffy und wie die nicht alle heißen.”.
„Wir
können ja mal zu einem Konzert gehen, wenn du magst?”.
„Wenn
sich die Gelegenheit bietet, gerne – ‚Kunstschätze aus
Kriegsbeständen, 1945‘.”. Ich reiche Daniel das Buch, aber er
nimmt es mir nicht ab. Ich sehe auf und erkenne seinen vollkommen
abwesenden Blick. Er wirkt noch bleicher als sonst.
„Daniel?“,
frage ich und auch Andrew sieht ihn an. Da sucht Daniel plötzlich
mit seinen Händen nach Halt und ich greife nach ihm. Andrew kommt
mir zu Hilfe und vorsichtig legen wir ihn auf den Boden. Andrew zieht
seinen Pullover aus und rollt ihn zusammen, um daraus eine
Nackenstütze für Daniel zu machen.
„Daniel,
hörst du uns?”, fragt er, doch Daniel schließt nur die Augen und
seine Augäpfel bewegen sich heftig unter den Lidern. Als wäre er in
einem Alptraum gefangen.
„Eine
Vision?”, frage ich.
„Ich
denke schon. Wir müssen warten.”. Im Hintergrund höre ich Vanessa
einen neuen Wagen anrollen und wie sie munter pfeift. Doch kaum ist
sie um die Ecke und sieht uns, stürmt sie auf uns zu und kniet sich
zu Daniel. Ich mache ihr Platz.
Mit
einem Schrei erwacht Daniel aus seinem Zustand und geht in eine
fötale Haltung, um sich zu schützen.
„Daniel,
wir sind es. Alles ist gut.“, sagt Vanessa besorgt, aber lässt ihm
etwas Abstand, damit er sich beruhigen kann. Es dauert einige Minuten
und ich stehe mit Andrew etwas abseits, beide blicken wir besorgt zu
ihm. Was hat er diesmal gesehen?
„Ich...
ich... wir müssen sie aufhalten!”.
„Wen,
Daniel?”, fragt Vanessa, ich halte mich lieber zurück.
„Sie
lassen diese Bestien los und versuchen sie als Waffe zu
missbrauchen!”.
„Beschreib
uns, was du gesehen hast, bitte.“, sagt Andrew.
Langsam
beugt sich Daniel auf und scheint sich etwas zu fangen. Er legt seine
Arme um seine Knie, die er dicht an sich zieht und blickt in die
Ferne, während er berichtet.
„Ich
war wieder eines von diesen Dingern. Ein hungriges, wütendes Etwas.
Ich war in einem Laderaum eingesperrt, in einem Transporter. Dann hat
der Wagen gestoppt und sie haben die Rampe geöffnet. Ich bin schnell
rausgesprungen. Ich hatte so viel Kraft, unendliche Kraft. Und da
habe ich sie gesehen, meine Peiniger. Sie hatten Waffen und dunkle
Uniformen und ich konnte riechen, dass es Untote sind...”. Wir
sehen uns beunruhigt an. Doch seine Erzählung ist wohl noch nicht zu
Ende.
„Ich
wollte sie erst angreifen, doch eine innere Kontrolle, ein Zwang, hat
es mir verboten, also bin ich losgerannt. In die Nacht hinein. Und da
habe ich meine Beute gefunden... ein kleiner Bauernhof. Ich habe die
Tiere gerissen, mich satt gegessen, als der Bauer in den Stall kam
und mich panisch ansah. Mit einem Streich habe ich ihn getötet, sein
Blut war überall und mischte sich auf dem Betonboden mit dem der
Tiere. Da traf mich ein schwerer Stromschlag. Irgendetwas in mir hat
mich verbrannt und ich ging zu Boden. Und da konnte ich sie das erste
Mal hören, habe verstanden, was meine Wachen sagten.”.
„Was
haben sie gesagt, Daniel?”, fragt Vanessa vorsichtig. Er blickt sie
an, immer noch wächsern und vor Schock ganz zittrig.
„Sie
sagten ‘War dieser nicht auf Tiere abgerichtet? Warum greift er den
Menschen an?’ und der andere hat geantwortet ‘Keine Ahnung, hat
wohl nicht geklappt’, dann haben sie ihre Waffen erhoben und mich
mit
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